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Warum ich Christ - Atheist - Agnostiker bin
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Die folgenden Zitate bekannter Personen sollen als Anregung diesen, sich genauer mit dieser Frage zu befassen.
Sie liefern den Einstieg in die Thematik, sind aber aufgrund ihrer Kürze noch sehr bruchstückhaft und bedürfen der weiteren Bearbeitung durch entsprechende Literatur. Beachtet werden sollte sich auch, dass sich Glaubensüberzeugungen im Laufe eines Lebens verändern.
D.Sölle | H.Küng | H. Zahrnt  | E. Drewermann | J. Kahl | K. Deschner | E. Fromm | A.Merkel
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Sölle  Dorothee Sölle - Warum ich Christin bin
"...Christ bin ich, wenn ich glaube, dass alles möglich ist. Blinde lernen sehen, alte Nazis hören auf zu verdrängen, Technokraten hören den Machtlosen zu. Die Lahmen gehen, die Tauben hören, die Armen hören die Nachricht von der Befreiung. Vielleicht muss man an dieser Stelle den individualistischen Ton des Spirituals verlassen und aus dem lch ins Wir, aus dem Voluntarismus in die Erfahrungen der Geschichte übergehen. Christ bin ich, weil ich glaube, dass das, was allen versprochen war, möglich ist.

Jesus von Nazareth hat mit seinem Leben etwas versucht, was ich auch will, an dem mir tatsächlich "alles" liegt. Da der Ausgang seines Experiments ungewiss ist, kommt es darauf an, dass möglichst viele, möglichst alle daran mitarbeiten. Mit-Wunder-Tun, Mit-Leiden, Mit-Erzählen, Mit-Teilen. Er ist mein Bruder, der, etwas älter als ich, mir immer schon einen Tod voraus ist. Der, etwas jünger als ich, verrückter, mir immer schon ein Wunder voraus ist.

Was tut er mir? Ich lerne von ihm. Wenn man nicht mehr lernt, ist man tot, und von ihm lerne ich am meisten. Er spricht von meinem Leben so, wie ich will, dass von ihm gesprochen wird, ohne jede Verachtung. Er lässt es nicht zu, dass nur ein einziger Tag meines Lebens gering geachtet, sinnlos, ohne das große Experiment sei. Ich lerne von ihm, allen Zynismus zu überwinden. Diese Lektion finde ich heute am schwersten - es gibt überzeugende Gründe, Menschen zu verachten, es gibt großartige Gründe, mich selber zu verachten. Es gibt eine Versuchung, das Leben nur teilweise, nur ein Stück weit, nur unter Umständen zu bejahen. Er beschämt mich - meine endliche, ungeduldige, teilweise, oberflächliche Bejahung. Er lehrt mich ein unendliches, revolutionäres, nichts und niemanden auslassendes Ja..."
 

  

In: W. Jens (Hrsg): Warum ich Christ bin, München 1982, S.348


  Hans Küng - warum ich Christ bin
".... Ich bin Christ, weil ich so wahrhaft Mensch sein kann. Und Sie verstehen mich: ich will kein Christsein auf Kosten meines Menschseins. Aber auch umgekehrt: ich will kein Menschsein auf Kosten meines Christseins. Kein Christsein neben, über oder unter meinem Menschsein. Als Christ soll ich ja gerade kein gespaltener Mensch sein. Nein, das Christliche ist für mich kein Überbau und kein Unterbau des Menschlichen. Das Christliche ist vielmehr - und erneut im dreifachen Sinn des Wortes, also bewahrend, verneinend und übersteigend- die "Aufhebung" des Menschlichen. Auch Ihr Humanismus, alle anderen Humanismen werden von hier aus bejaht: sofern sie das Menschliche, alles Wahre, Gute und Schöne, das wahrhaft Menschliche, bejahen. Die anderen Humanismen werden verneint nur, sofern sie das Christliche, den Christus und was er für den Menschen bedeutet, verneinen. Ja, sie werden schließlich überstiegen, sofern das Christsein das Menschlich-Allzumenschliche sogar in aller Negativität voll einzubeziehen vermag.

Sie verstehen jetzt, warum ich sage: Christen sind, richtig verstanden, nicht weniger Humanisten als alle anderen Humanisten. Aber wir sehen das Menschliche, das wahrhaft Menschliche, das Humane, wir sehen den Menschen und seinen Gott, wir sehen Humanität, Freiheit, Gerechtigkeit, Leben, Liebe, Frieden, Sinn von diesem Jesus her, der für uns der konkret Maßgebende = der Christus ist. Und von ihm her meinen wir nicht einen beliebigen Humanismus vertreten zu können, der einfach alles Wahre, Gute, Schöne und Menschliche bejaht, von ihm her meinen wir einen wahrhaft radikalen Humanismus vertreten zu dürfen, der bis zur Wurzel geht und der so auch das Unwahre, Ungute, Unschöne und Unmenschliche einzubeziehen und zu bewältigen vermag: also nicht nur alles Positive, sondern auch - und hier entscheidet sich in der Tat, was ein Humanismus letztlich taugt! - alles Negative, selbst Leiden, Schuld, Tod, Sinnlosigkeit.

Sie haben mich, lieber Herr X, herausgefordert, und Sie drängen auf eine klare Antwort. Deshalb zusammengefasst: Nach dem Maßstab, im Geist dieses Jesus Christus meine ich - bei all meinen Grenzen und all meinem Versagen und oft mehr schlecht als recht- auch in der Welt von heute nicht nur wahrhaft menschlich handeln, sondern auch leiden, nicht nur leben, sondern auch sterben zu können. Jedenfalls leuchtet mir selbst dort noch Sinn auf, wo die "reine Vernunft" kapitulieren muss, auch in sinnloser Not und Schuld: weil ich mich auch da, weil ich mich im Positiven wie im Negativen bis in den Tod hinein von Gott gehalten weiß. So schenkt mir der Glaube an diesen Jesus als den Christus Frieden mit Gott und mit mir selbst, überspielt aber nicht die Probleme der Welt und der Gesellschaft. Er macht uns als Menschen wahrhaft menschlich, weil wahrhaft mitmenschlich, hilfreich den Menschen: ohne Einschränkung (auch im Dienen, Verzichten, Verzeihen) offen für die anderen, der mich gerade braucht, den 'Nächsten'....."
 

  

ebd.S.236f.

Karlheinz Deschner - Warum ich Agnostiker bin
"...Ich wurde katholisch erzogen. Mein Vater, Förster, Fischzüchter, aus kleinsten Verhältnissen stammend, versäumte sonntags keine Messe, verfolgte die Predigt aber mit der Uhr. Meine Mutter, in zwei Schlössern aufgewachsen, war Konvertitin, doch tolerant. Ihr Leitspruch : In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Die Verwandten: Protestanten, Freimaurer, Ungläubige, Nazis, Sozis, Juden, Sektierer. Man ließ alle gelten und sich nicht beirren. Ich schmückte im Mai einen eigenen kleinen Marienaltar. (Mein Vater lächelte «Maria zu lieben, ist allzeit mein Sinn» jeder adretten Maria ins Gesicht.) Mein Patenonkel war Pfarrer und betete für mich täglich bis zu seinem Tod.

Kaum zehnjährig, schrieb ich, verhärmt schon, verschwärmt, aus dem Franziskanerseminar: Was nützt es dem Menschen, wenn er die Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele - noch immer ein tiefes Wort für mich. Mit elf zu Karmelitern; mit zwölf zu Englischen Fräulein (jeden Donnerstag erglühten sie, rauschte der schwarzhaarige Pater zum Beichthören herüber); dann bei den Söhnen St. Benedikts noch.
Das Reglement der Klosterinternate, rigoros ichfeindlich, grau und hässlich wie die Mauern dort, die Säle, Hauskapellen, stieß mich ab; ich konnte, vor Heimweh nach Eltern, nach Weihern und Wäldern, nicht lernen. Fünfzehnjährig fieberte ich mir fasziniert mehr als verständnisvoll, Nietzsche in den Kopf, das Blut, die Eingeweide. Als Student beharrlich Autodidakt, las ich Schopenhauer und, besonders gründlich, Kant. Diese drei entrissen mich geistig, nicht emotional noch, dem Christentum. Deshalb erforschte ich, dreiunddreißig schon, endlich seine Ursprünge, gewann ich in freiwilliger fünfjähriger Fron Klarheit - und vermittelte sie andern in meiner Kirchengeschichte "Abermals krähte der Hahn". - Oft, wenn ich damals (und später) aus Dschungeln von Papier und Lüge, dem ganzen Wust und Wahnsinn heiliger Scheußlichkeiten, kurz nur gehetzt durch Geldnot, Arbeitswut, in die Luft der Täler Höhen, die grüne Freiheit draußen tauchte, kam ich mir wie ein Verrückter vor. So verging meine Zeit, die auf Erden mir gegeben war . . ."
 

  

Warum ich Agnostiker bin , In Oben Ohne, Reinbek 1997, S.20f.
"Ärgernis Aufklärung" (Hörenswerte MP3-Datei - 5 min.)
Deschner-Homepage


  Joachim Kahl - Warum ich Atheist bin

..."Atheist wurde ich durch mein Theologiestudium. Bereits als Ungläubiger schloss ich es mit der Promotion zum Dr. theol. ab. Unmittelbar danach trat ich - Vernunft- und Gewissensgründen folgend - aus der evangelischen Kirche aus, der ich anfänglich als Pfarrer hatte dienen wollen. Der Atheismus, für den ich in diesem Diskussionsbeitrag schreibe, ist in seiner persönlichen Färbung das Ergebnis meiner etwa dreißigjährigen Reflexion. In seiner inhaltlichen Substanz speist er sich aus einer jahrtausendelangen Überlieferungsgeschichte der Religionskritik von den Anfängen der Philosophie bis heute.

Es ist eine unwissende Verkürzung, Religionskritik und Atheismus erst mit der europäischen Aufklärung im 18. Jahrhundert beginnen zu lassen. Der kritische Denkimpuls, der - staunend und zweifelnd - zur Philosophie führte, relativierte die Opfer und Orakel der Priester, die Sprüche und Ansprüche der Propheten. Seither ist die geistige Kultur geprägt von einer Rivalität zwischen Wissen und Glauben, Vernunft und Offenbarung, Philosophie und Theologie, Weltweisheit und Gottesfurcht..."
 

  
Literatur
Karlheinz Deschner/F. Heer/J. Kahl (Hrsg.):
Warum ich Christ/ Atheist/ Agnostiker bin, Köln 1977 (K+W)



 

  Heinz Zahrnt - warum ich glaube

"...Ich habe in meinem Leben eine Wahl getroffen, nicht auf einmal, sondern allmählich, auch nicht ein für allemal, sondern immer wieder, alles in allem aber endgültig. Unter den verschiedenen »Heilswegen«, die die moderne zeitgenössische Gesellschaft anbietet, habe ich den christlichen Glauben gewählt. lch bin Christ - dies ist die "Grundentscheidung" meines Lebens. Sie bedeutet ein Vertrauensvotum. Damit habe ich den von Jesus aus Nazareth verkündigten Glauben an Gott als den Grund gewählt, dem allein ich zutraue, dass er mich mein Leben lang trägt.
Ich kann die Richtigkeit meiner Wahl nicht beweisen, ebenso wenig wie der Atheist die seine, aber ich muss sie zu rechtfertigen suchen, indem ich mich bemühe, sie verstehbar zu machen. Gewiss kann ich Gott nicht wie irgendeinen Gegenstand der Welt »in Sicht bringen«, aber ich muss versuchen, ihn an der Wirklichkeit der Welt "ersichtlich zu machen": wie und inwiefern der Glaube an Gott für mich in meinem Leben in Betracht kommt. Dabei vermag ich den Verdacht der Projektion nicht abzuschütteln. Wie er unbeweisbar ist, so bleibt er auch unwiderlegbar. Man muss die Sache lassen anstehen ewiglich. Die Frage nach Gott bleibt allzeit eine offene Frage.

Da ich in einer christlich geprägten Umwelt aufgewachsen bin, ist zusammen mit anderen Wörtern meiner Muttersprache auch das Wort »Gott« an mich gelangt. Indem es rings um mich her gebraucht wurde, lebte ich mich von selbst in seinen Gebrauch ein. Ich kann mich nicht erinnern, in meinem Leben jemals eine bildhafte Vorstellung von Gott gehabt zu haben - bestimmt nicht die vom alten Mann im weißen Bart. Gewiss spreche ich von Gott in menschenförmigen Bildern - wie könnte ich auch anders von ihm reden? Aber diese »Ansichten« sind wechselnde Metaphern - wir können Gottes Wesen immer nur »umschreiben«, das heißt mit unseren Worten um ihn herum schreiben.

Mit dem Wort »Gott« verbindet sich für mich einzig die bildlose Vorstellung von einem Du im Gegenüber. Ich habe noch eine ziemlich genaue Erinnerung, wann sich mir dieses Gegenüber und Du ein für allemal eingeprägt hat. Als Primaner besuchte ich ziemlich regelmäßig den Gottesdienst am Sonntagabend um 6 Uhr. Es war ein leise gestimmter Gottesdienst, mit verkürzter Liturgie, auch mit weniger Besuchern. In diesen Abendgottesdiensten Gotteserfahrung-Aufklärung der Welt durch den Glauben habe ich erfahren, was »Andacht« heißt. Seitdem ist alles Nachdenken über Gott für mich ein Andenken an ihn, ein Hindenken zu ihm, und alles Reden über ihn ein Reden zu ihm.

Mein Glaube an Gott hat daher eine dialogisch-personale Struktur. Damit entspricht er dem theologischen Grundsachverhalt der Bibel. In ihren Zeugnissen spielt der Lebenslauf Gottes sich als eine Begegnungsgeschichte zwischen Gott und Mensch ab - zu ihrer Beschreibung und Deutung stellt sich der Personbegriff dabei von selbst ein. Aber der "springende Punkt" ist nicht die vorgängige Vorstellung von Gott als einer Person, sondern die persönliche Erfahrung Gottes als eines Gegenübers und Du: Gott ist nicht eine Person, auch nicht die höchste unter allen anderen - aber er begegnet 'höchstpersönlich..."

(H. Zahrnt: Mutmaßungen über Gott, München 1994, S.97f.)


Mehr dazu in:

H. Zahrnt: Warum ich glaube,
H. Zahrnt: Mutmaßungen über Gott, München 1994



 
 
 
 
Eugen Drewermann - warum ich Katholik bin (1991)

Aktuell:
Warum ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin (2005)


"...Warum sind Sie Katholik?

Was mich am Katholizismus fasziniert, ist das Moment des Bildhaften mit der hohen Wertschätzung der Tiefenschichten in der menschlichen Psyche. Hier scheint mir die katholische Kirche eine unwiderlegbare menschliche Wahrheit zu besitzen. An diesem Punkt beginnt aber auch mein Problem mit der katholischen Kirche. Die stärkere Betonung der objektiven Inhalte des Glaubens, der symbolischen Vorgaben in Ritus, Sakrament und Frömmigkeitsleben scheint mir so weit vom subjektiven Erleben abgespalten zu sein, dass sich sehr leicht ein Machtapparat von Außenlenkung und autoritärer Hierarchie darüber entwickeln konnte. Ich bin, so glaube ich, im Grunde weder protestantisch noch katholisch. Ich möchte, dass die Zerrissenheit zwischen den Konfessionen, die eine Zerrissenheit in den Menschen ist, überwunden wird. Der Katholizismus müsste das prophetische Element, die subjektive Erfahrung, das Tragische mehr betonen, auch die Tatsache, dass ein einzelner gerade stehen muss für sein Leben - vielleicht gegen den Rest der Kirche oder der Gesellschaft. Umgekehrt könnte es für den Protestantismus möglicherweise eine Erleichterung sein, sich stärker eingebunden zu fühlen in Stützungselemente, die aus der Religionsgeschichte und der Religionspsychologie hervorgehen und im Menschen tief verankert sind. In diesem Bereich könnte der Protestantismus vom Katholizismus lernen. Was ich möchte, ist eine Verbindung, die lebendig und in der Lage ist, Bewusstes und Unbewusstes im Menschen wieder zu versöhnen - das Objektive und das Subjektive....

Glauben Sie an Gott?

Ich glaube auf zwei Weisen an Gott. Ich glaube einmal daran, dass die Naturwissenschaften dabei sind, ein neues Bild auch des theologischen Denkens zu entwerfen. Sie machen die Notwendigkeit des  Respekts vor einem sich selbst organisierenden System offenbar. Wir  können vom Geist und von der Materie nicht mehr so sprechen, wie  wir es im christlichen Abendland gewohnt waren. Wir erkennen, dass  Geist eine Struktureigenschaft aller komplexen Systeme ist. Sinn stellt sich auf dem Weg der Evolution selber her. Gott ist in diesem Sinne  etwas, das sich in der Welt und mit der Welt selber entfaltet. Das ist  ein an den Pantheismus gemahnendes Konzept von hoher Poesie und  Kreativität, auch von Weisheit, in dem das Zusammenleben der Menschen mit den Kreaturen an seiner Seite neu begriffen wird. Nach den achttausend Jahren Entwicklung seit dem Neolithikum, die den  Menschen aus der Natur herausgelöst und im Menschen den Geist  vom Körper getrennt hat, wird in Zukunft nur noch eine Religion  glaubwürdig sein, die zwischen Mensch und Natur eine religiöse Sinnstiftung vornimmt und des Menschen Seele und Leib als zusammengehörende Einheit begreift; und es wird eine Religion sein, die  sich nach außen nicht gewalttätig und exklusiv darstellt, sondern  integrierend und dialogisch. Der zweite Punkt: Die Angst, die aufgebrochen ist dadurch, dass Menschen Individuen wurden, lässt sich  niemals mehr verbannen. Sie gehört zu uns, ist Teil unserer Persönlichkeit und Freiheit, unserer Fähigkeit zur Selbstreflexion. Ich halte  den Glauben an einen persönlichen Gott für ein dringendes Postulat  als Antwort auf die menschliche Angst. Ich glaube, das meinte Jesus,  als er uns Mut machen wollte, auf das Wasser zu treten und zu spüren,  dass der Abgrund trägt, wenn man nur vertraut. Beide Gottesbilder -  das des personalen Gottes und des systemtheoretisch-evolutiv sich  entfaltenden Geistes - sind antithetisch. Aber ich halte es für möglich, dass die alte christliche Trinitätslehre fähig ist, solche Polarität miteinander zu verbinden...."

(Aus einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 3.5.1991)

E. Drewermann: Religion ist ein Ort von Hoffnung


14.12. 2005

Drewermann verlässt katholische Kirche

Der prominente Kirchenkritiker Eugen Drewermann ist nach langjährigem Streit aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten.
Der Theologe und suspendierte Priester sagte am Dienstagabend in der ARD- Sendung "Menschen bei Maischberger", er habe sich damit an seinem 65. Geburtstag (am 20. Juni 2005) "ein Geschenk der Freiheit an mich selber" gemacht. Im Streit um Drewermanns umstrittene Ansichten über die römische Amtskirche war ihm im Oktober 1991 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen worden. Anfang 1992 verhängte der damalige Paderborner Erzbischof Joachim Degenhardt ein Predigtverbot gegen Drewermann, auch die Ausübung des Priesteramtes wurde ihm untersagt.

Botschaft Gottes zerredet
Der 65-Jährige sagte in der ARD-Sendung: "Ich habe geglaubt, ich könnte in der katholischen Kirche Interpretationsbrücken schaffen, von der Botschaft Jesu zu der Not der Menschen hin. Daran leide ich nach wie vor, dass die katholische Kirche dies im Grunde verweigert." Der Papst-Kritiker wirft der Kirche vor, die Botschaft Gottes zerredet und ihre Gefühls- und Symbolkraft beraubt zu haben. In zahlreichen Büchern habe er dargelegt, dass es nicht auf die Konfession ankomme, "sondern was für ein Mensch man ist", sagte Drewermann. Zugleich betonte er, sein Schritt bedeute keinesfalls ein Abwenden vom Glauben...

Bedauern von "Wir sind Kirche"
Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" bezeichnete Drewermanns Schritt als Verlust. "Unserer Kirche wird der wache und kritische Geist dieses Theologen fehlen", sagte Christian Weisner von "Wir sind Kirche" in Deutschland. Die katholische Kirche verliere immer mehr an Glaubwürdigkeit und Zukunftsfähigkeit, wenn kritische Menschen keinen Platz mehr in ihr hätten.
 



 
 

  Erich Fromm - warum ich Humanist bin

"...Ich glaube, dass sich die Einheit des Menschen aus der Tatsache ergibt, dass der Mensch ein sich seiner selbst bewusstes Lebewesen ist. Darin unterscheidet er sich von anderen Lebewesen. Der Mensch ist sich seiner selbst bewusst: seiner Zukunft (das heißt der Tatsache, dass er sterben muss), seiner Kleinheit und seiner Ohnmacht; er nimmt die anderen als andere wahr; er lebt in der Natur und ist ihren Gesetzen unterworfen, auch wenn er sie mit seinem Denken übersteigt.

Ich glaube, dass der Mensch das Ergebnis einer natürlichen Evolution ist, die aus dem Konflikt entspringt, dass er in der Natur gefangen und gleichzeitig von ihr getrennt ist, und aus dem Bedürfnis, Einheit und Harmonie mit der Natur zu finden.

Ich glaube, dass die Natur des Menschen in einem Widerspruch zu fassen ist, der in den Bedingungen der menschlichen Existenz wurzelt und eine Suche nach Lösungen notwendig macht, die ihrerseits neue Widersprüche und das Bedürfnis nach neuen Antworten erzeugen.

Ich glaube, dass jede Antwort, die auf diese Widersprüche gegeben wird, die Voraussetzung erfüllt und dem Menschen hilft, sein Gefühl des Abgetrenntseins zu überwinden und ein Gespür der Zustimmung, der Einheit und der Zugehörigkeit zu erlangen.

Ich glaube, dass der Mensch bei jeder Antwort, die er auf diese Widersprüche gibt, nur die Möglichkeit der Wahl hat, entweder vorwärts oder rückwärts zu gehen. Diese Wahlmöglichkeiten, die sich in bestimmten Handlungen manifestieren, sind die Wege, auf denen wir in unserem Menschsein regredieren oder progredieren.

Ich glaube, dass der Mensch grundsätzlich die Wahl hat zwischen Leben und Tod, zwischen Kreativität und destruktiver Gewalt, zwischen Wirklichkeitssinn und Illusion, zwischen Objektivität und Intoleranz, zwischen brüderlicher Unabhängigkeit und einer Bezogenheit auf Grund von Über- und Unterordnung.

Ich glaube, dass man dem Leben die Bedeutung andauernder Geburt und beständiger Entwicklung zuschreiben kann.

Ich glaube, dass man dem Tod die Bedeutung des Endes von Wachstum beziehungsweise ständige Wiederholung zuschreiben kann.

Ich glaube, dass der Mensch, der die regressive Antwort gibt, dadurch Einheit zu finden versucht, dass er sich von der unerträglichen Angst vor Einsamkeit und Unsicherheit zu befreien versucht, indem er das, was ihn menschlich macht und zum Problem wird, entstellt. Die regressive Orientierung entwickelt sich in drei Erscheinungsweisen, die getrennt oder im Verbund auftreten: in der Nekrophilie, im Narzissmus und in der inzesthaften Symbiose.

Mit Nekrophilie meine ich die Liebe zu allem, was mit Gewaltanwendung und Destruktivität zu tun hat; den Wunsch zu töten; die Bewunderung von Macht; das Angezogensein vom Toten, vom Selbstmord, vom Sadismus; den Wunsch, Organisches mit Hilfe von "Ordnungschaffen" in Anorganisches zu verwandeln. Da dem Nekrophilen die erforderlichen Eigenschaften für Kreatives abgehen, ist es ihm in seiner Unfähigkeit ein leichtes, zu zerstören, denn für ihn dreht sich alles nur um Gewalt.

Mit Narzissmus meine ich, dass der Mensch aufhört, ein lebendiges Interesse an der Außenwelt zu zeigen, und eine starke Bindung an sich selbst, an seine eigene Gruppe, an den eigenen Klan, die eigene Religion, Nation, Rasse usw. entwickelt. Dabei kommt es zu gravierenden Verzerrungen in seinem rationalen Urteilsvermögen. Ganz allgemein entsteht das Bedürfnis nach narzisstischer Befriedigung, wenn materielle und kulturelle Armut kompensiert werden muss.

Mit inzesthafter Symbiose meine ich die Tendenz, an die Mutter und ihre Ersatzfiguren - das Blut, die Familie, den Stamm - gebunden zu bleiben, der unerträglichen Bürde der Verantwortung, der Freiheit und des Bewusstseins zu entfliehen und in einem Hort von Sicherheit und Abhängigkeit Schutz und Liebe zu bekommen. Dafür bezahlt der einzelne mit dem Ende seiner eigenen menschlichen Entwicklung.

Ich glaube, dass der Mensch, der sich für das Vorwärtsgehen entscheidet, eine neue Einheit finden kann, indem er alle seine menschliche Kräfte zur vollen Entfaltung bringt. Diese können sich in drei Weisen entfalten und allein oder im Verbund in Erscheinung treten: in der Biophilie, in der Liebe zur Menschheit und zur Natur und in Unabhängigkeit und Freiheit.

Ich glaube, dass die Liebe sozusagen der "Hauptschlüssel" ist, mit dem sich die Tore zum Wachstum des Menschen öffnen lassen. Ich meine damit Liebe zu und Einssein mit jemand anderem oder etwas außerhalb von mir selbst, wobei das Einssein besagt, dass man sich auf andere bezieht und sich mit anderen eins fühlt, ohne damit sein Gespür für die eigene Integrität und Unabhängigkeit einschränken zu müssen. Liebe ist eine produktive Orientierung, zu deren Wesen es gehört, daß folgende Merkmale gleichzeitig vorhanden sind: Man muss sich für das, womit man eins werden will, interessieren, sich für es verantwortlich fühlen, es achten und es verstehen.

Ich glaube, dass die Praxis der Liebe das menschlichste Tun ist, das den Menschen ganz zum Menschen macht und ihm zur Freude am Leben gegeben ist. Für diese Praxis der Liebe gilt aber - wie für die Vernunftfähigkeit: Sie ist sinnlos, wenn sie nur halbherzig vollzogen wird.

Ich glaube, dass man erst "frei von" seinen inneren und/oder äußeren Bindungen sein muss, wenn man die Fähigkeit erlangen möchte, auch "frei zu" etwas zu sein: zu schöpferischem, gestaltendem Tun, zu mehr Erkenntnis usw. Erst dann ist man fähig, ein freies, tätiges, verantwortliches Wesen zu sein.

Ich glaube, dass Freiheit die Fähigkeit ist, der Stimme der Vernunft und des Wissens zu folgen und den Stimmen irrationaler Leidenschaften zu widerstehen. Sie ist die Befreiung, die den Menschen freispricht und ihm den Weg ebnet, seine eigenen vernünftigen Fähigkeiten zu gebrauchen, die Welt in ihrer Objektivität zu verstehen und den Platz, den der Mensch darin einnimmt, zu erkennen.

Ich glaube, dass der "Kampf für die Freiheit" im allgemeinen ausschließlich die Bedeutung hatte, gegen jene Autorität zu kämpfen, die einem aufgedrängt wurde und deren Ziel es war, den Willen des einzelnen zu brechen. Heute sollte der "Kampf für die Freiheit" bedeuten, dass wir uns einzeln und gemeinsam von jener "Autorität" befreien, der wir uns "freiwillig" unterworfen haben. Wir sollten uns von jenen inneren Mächten befreien, die uns zu dieser Unterwerfung zwingen, weil wir unfähig sind, die Freiheit zu ertragen.

Ich glaube, dass Freiheit keine konstante Wesenseigenschaft ist, die wir haben oder auch nicht haben. Vermutlich gibt sie es in Wirklichkeit nur als Akt unserer Selbstbefreiung, wenn wir von unserer Freiheit, wählen zu können, Gebrauch machen. Jeder Schritt im Leben, der den Grad der Reife des Menschen erhöht, erhöht auch seine Fähigkeit, die freimachende Alternative zu wählen.

Ich glaube, dass die Wahlfreiheit nicht für alle Menschen in jedem Augenblick in gleicher Weise gegeben ist. Wer ausschließlich nekrophil, narzisstisch oder symbiotisch-inzestiös orientiert ist, hat nur die "Wahl", sich regressiv zu entscheiden. Der freie Mensch, der von irrationalen Bindungen befreit ist, kann keine regressive Wahl mehr treffen.

Ich glaube, dass es das Problem der Wahlfreiheit nur bei Menschen mit gegenläufigen Orientierungen gibt und dass diese Freiheit immer stark von unbewussten Wünschen und von beschwichtigenden Rationalisierungen bedingt wird.

Ich glaube, dass niemand seinen Nächsten dadurch "retten" kann, dass er für ihn eine Entscheidung trifft. Die einzige Hilfe besteht darin, dass er ihn in aller Aufrichtigkeit und Liebe sowie ohne Sentimentalität und Illusion auf mögliche Alternativen hinweisen kann. Das erkennbare Bewusstwerden befreiender Alternativen kann in einem Menschen alle seine verborgenen Energien wachrufen und ihn auf den Weg bringen, auf dem er das Leben statt den Tod wählt.

Ich glaube, dass der Mensch die Gleichheit aller Menschen spüren kann, wenn er sich ganz und gar zu erkennen versucht und dabei merkt, dass er den anderen gleicht und er sich mit ihnen identifiziert. Jeder einzelne Mensch trägt die Menschheit in sich. Die conditio humana ist eine und dieselbe für alle Menschen, trotz der unübersehbaren Unterschiede bezüglich Intelligenz, Begabung, Körpergröße, Hautfarbe usw.

Ich glaube, dass man an die Gleichheit der Menschen gerade deshalb erinnern muss, weil damit ein Ende gemacht werden muss, dass der Mensch ein Instrument des anderen wird.

Ich glaube, dass Brüderlichkeit die auf den Nächsten gerichtete Liebe ist. Sie bleibt freilich eine Worthülse, solange nicht alle inzesthaften Bindungen ausgemerzt sind, die den Menschen daran hindern, über den "Bruder" in objektiver Weise zu urteilen.

Ich glaube, dass der einzelne so lange nicht mit seiner Menschheit in sich in engen Kontakt kommen kann, solange er sich nicht anschickt, seine Gesellschaft zu transzendieren und zu erkennen, in welcher Weise diese die Entwicklung seiner menschlichen Potentiale fördert oder hemmt. Kommen ihm die Tabus, Restriktionen, entstellten Werte ganz "natürlich" vor, dann ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass er keine wirkliche Kenntnis der menschlichen Natur hat.

Ich glaube, dass die Gesellschaft in ihrer stimulierenden und zugleich hemmenden Funktion schon immer in Konflikt mit dem Menschsein ist. Erst wenn der Zweck der Gesellschaft mit der des Menschseins identisch ist, wird die Gesellschaft aufhören, den Menschen zu lähmen und sein Streben nach Herrschaft zu beflügeln.

Ich glaube, dass man auf eine gesunde und vernünftige Gesellschaft hoffen kann und muss. Eine solche Gesellschaft fördert die Fähigkeit des Menschen zur Nächstenliebe, zur Arbeit und zum Gestalten, zur Entwicklung seiner Vernunft und zu einer objektiv richtigen Selbstwahrnehmung, die in der Erfahrung seiner produktiven Energie gründet.

Ich glaube, dass man für die breite Bevölkerung auf die Wiedergewinnung psychischer Gesundheit hoffen kann und muss. Diese zeichnet sich durch die Fähigkeit zur Liebe und zu schöpferischem Tun aus, durch die Befreiung von inzesthaften Bindungen an den Klan und an den Boden, durch ein Identitätserleben, bei dem der einzelne sich als das Subjekt und den Vollzieher seiner eigenen Kräfte erfährt, durch die Fähigkeit, sich von der Wirklichkeit innerhalb und außerhalb von einem selbst berühren zu lassen und die Entwicklung von Objektivität und Vernunft zu verwirklichen.

Ich glaube, dass in dem Maße, in dem unsere Welt verrückt und unmenschlich zu werden scheint, eine immer größere Zahl von Menschen die Notwendigkeit spürt, sich zusammenzutun, und mit Menschen zusammenzuarbeiten, die ihre Sorgen teilen.

Ich glaube, dass diese Menschen guten Willens nicht nur zu einer menschlichen Deutung der Welt kommen sollten, sondern auch auf den Weg hierzu verweisen und für eine mögliche Veränderung arbeiten müssen. Eine Deutung ohne den Wunsch nach Veränderung ist nutzlos. Eine Veränderung ohne vorausgehende Deutung ist blind.

Ich glaube, dass die Verwirklichung einer Welt möglich ist, in der der Mensch viel sein kann, selbst wenn er wenig hat; in der der vorherrschende Beweggrund seines Lebens nicht das Konsumieren ist; in der der Mensch das erste und das letzte Ziel ist; in der der Mensch den Weg finden kann, seinem Leben einen Sinn zu geben, und die Stärke, frei und illusionslos zu leben..."

Aus: 'Humanismus als reale Utopie - Der Glaube an den Menschen' (1992) , entnommen.




 
 
Angela Merkel
"Warum ich Christin bin" 

Bundeskanzlerin (2005-202...); ehem. Vorsitzende der CDU Deutschlands


Das Christusbekenntnis als innerer Kompass
Der Glaube an Gott und die Nähe zur Kirche haben mich von Kindheit an geprägt und beschäftigt. Dies lag nicht zuletzt daran, dass mein Vater zu dieser Zeit aktiver Pfarrer war und mit uns von Hamburg in die Uckermark nach Brandenburg zog, weil er der Überzeugung war, dass auch in der DDR gut ausgebildete Pfarrer gebraucht würden. Dort leitete er ein Seminar für den kirchlichen Dienst.
Ich bin also in einer Familie groß geworden, in der das Christliche nicht nur den Lebensort, sondern auch die Lebenseinstellung prägte. Und der Lebensort hieß Templin.
Der Waldhof, ein Areal der Stephanus-Stiftung, war im Geist der Bodelschwinghschen Anstalten aufgebaut. Dort wohnten wir. In der DDR wurde der Kirche kaum eine Bildungsaufgabe übergeben. Jeder, der als bildungsfähig galt, wurde sofort dem kirchlichen Bereich entzogen. Jeder aber, der so geistig behindert war, dass er als nicht fortbildungsfähig galt, wurde der Kirche überlassen.
Aus dieser Tatsachenbeschreibung wird deutlich, dass nichtbehinderte Menschen, die den Raum des Glaubens und der Kirche als wichtig für ihr Leben empfanden, es schwer hatten, gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Wenn man sich in der DDR dazu entschieden hatte, sich zum Glauben zu bekennen und aktives Kirchenglied zu sein, konnte dies für einen deutliche Nachteile haben. Das betraf vor allem die Schulausbildung und die freie Studien- und Berufswahl.

Seit meiner Jugend wusste ich also, dass ich durch mein Bekenntnis zu Gott und zu seiner Kirche einem inneren Kompass folgte, der vom Staat und der Mehrheit der Bevölkerung als Richtungsweiser abgelehnt wurde. Es war auch nicht immer einfach, zu seinem Christ-Sein zu stehen. Im Gegensatz zu den meisten Jugendlichen ging ich zur Christenlehre und zum Konfirmandenunterricht und nicht zur Jugendweihe.
Durch meinen Glauben habe ich in dieser Zeit gelernt, dass es richtig sein kann, anders zu denken und anders zu entscheiden, als es andere Menschen tun. Das hilft mir heute in einer Zeit, in der allen alles gleichgültig scheint; denn es ist nicht alles gleichgültig. Das Christ-Sein und meine Erfahrungen, die ich als Christ sammeln konnte, schützten mich davor. Dafür bin ich dankbar. Es lohnt sich, sich für spezielle Ziele einzusetzen.

Die biblischen Erzählungen sind hier hervorragende Beispielgeschichten. Jesus fällt vor allem dadurch auf, dass er so ganz anders ist als die anderen, dass er quer denkt und dass er dadurch den Menschen neue Lösungen für ihre Menschheitsfragen gibt. Der Glaube an den, der so mit den Menschen umgeht, hat mir in meinen eigenen Lebensentscheidungen und meiner eigenen Lebenseinstellung immer wieder geholfen.

Mein Glaube lässt mich vieles kritisch hinterfragen manchmal sogar meinen eigenen Glauben selbst. Jesus hat das Bestehende immer kritisch unter die Lupe genommen. Er hat sich mit Zuständen nie zufrieden gegeben, weder mit weltlichen noch religiösen. Klare, eindeutige und einfache Worte hat er zu den Menschen gesprochen. Worte, die sich auf das Wesentliche beschränkt haben und das Wesentliche im Blick hatten.

Das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden, das war seine Stärke. Er nahm den Menschen an sich in den Blick. Er machte deutlich, dass jedem Menschenwürde zukommt, auch denen, die die Frommen als unrein bezeichneten. Dieses Denken und Handeln von Jesus Christus lohnt es, im eigenen Leben vor Augen zu haben. Und so ist der Glaube die Kraft, die mich konfliktfähig hält. Ich nehme diese Konfliktfähigkeit ernst, weil es in unseren politischen Fragestellungen keine einfachen, schnellen Lösungen auf die komplexen Fragestellungen gibt. Und ich werde immer etwas stutzig, wenn gerade Christen in den schwierigsten Fragen zu allzu schnellen Ergebnissen kommen wollen, um für sich im Reinen zu sein. Als Christ muss man manchmal auch widerstreitende Meinungen aushalten können. Dies gehört für mich zum Christ-Sein dazu.

Und deshalb sind der christliche Glaube und seine ausgebildete Kultur der Kompass, zu dem ich das Vertrauen habe, dass er die maßgebliche Richtung anzeigt. Mein Christ-Sein gibt mir Mut und Vertrauen nicht nur im privaten, sondern auch im politischen Geschäft, offen das auszusprechen, was ich denke.

Ich wünschte mir manchmal sehr, dass die Menschen auch in meiner eigenen Partei diesen offenen christlichen Umgang stärker pflegen würden. Die Zehn Gebote sind genauso unverzichtbares Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens wie das Doppelgebot der Liebe. Das Christ-Sein ist für mich daher nicht nur ein Rettungsanker in schwachen Stunden, in denen man hofft, nicht weggetrieben zu werden, sondern vor allem Gestaltungskraft in den Lebensphasen, die Impulse setzen sollen und Veränderungen bringen - denn in diesen gestaltet christlicher Glaube das eigene Leben und das der anderen mit - Gott sei Dank.


 
 
 
 
 
 
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