Home - Religionskritik

 

Theodizee - Theologische und philosophische Aspekte

 
Wenn Gott tatsächlich allmächtig ist,  dann sollte er doch auch menschliches Leid verhindern können.
Aber: Wenn es Gott nicht gibt, woher kommt dann das Gute in der Welt?

 

 Epikur (341-270 vor Chr.)
„Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht, dann ist er schwach, was auf Gott nicht zutrifft; oder er will es nicht, dann ist er missgünstig, was ebenfalls Gott fremd ist; oder er kann es und will es, was alleine sich für Gott ziemt, woher kommen dann die Übel, und warum nimmt er sie nicht weg?"

 
 

 Buch Hiob

Ausschnitt
Dürer-Bild

Das alttestamentliche Buch Hiob (ca. 5.-3. Jh. vor Chr.) enthält eine Rahmenerzählung (Kap. 1-2 und 42,10-17), in der Gott dem Satan erlaubt, den vorbildlich frommen Hiob durch furchtbares Leiden zu prüfen. 
Hiob besteht diese Glaubensprüfung und wird am Ende von Gott reich belohnt.
In diese Rahmenerzählung wurden später zahlreiche Dialoge zwischen Hiob und seinen Freunden sowie zwischen Gott und Hiob eingefügt, in denen es um die Frage geht, ob es den Frommen immer gut und den Gottlosen immer schlecht geht. Dieser Auffassung wird konsequent widersprochen. Aber es bleibt letztlich das Vertrauen auf den unergründbaren Gott.

 

Neues Testament
Auch das Neue Testament nimmrt die Auseinandersetzung mit dem Leiden auf. Dabei schildern die Passionsgeschichten den leidenden und gekreuzigte Christus als den Sohn Gottes, der selbst das Böse und das Leiden erträgt und das Gefühl der Gottverlassenheit als Klage vor Gott ausspricht.
 
 

Luther
Warum gibt Gott nicht allen Menschen den Glauben, der sie unerschütterlich an Gott festhalten lässt? Luther weiß, dass wir diese Frage nicht inhaltlich beantworten können, aber er gewinnt in Jesus Christus die Zuversicht, dass wir in der Ewigkeit auch die rätselhaften Wege Gottes rückblickend verstehen werden. 
 
 

Leibniz: Die beste aller möglichen Welten
Der Universalgelehrte G. W. Leibniz (1646-1716) hat nicht nur den Begriff „Theodizee" geprägt, sondern auch ein umfassendes, allgemeinverständliches Werk über dieses Thema verfasst, in dem er die These vertritt, dass unsere Welt die beste aller möglichen Welten ist.

Er geht davon aus, dass unsere begrenzte Welt nicht aus sich selbst stammen kann, sondern einen vollkommenen Ursprung, Gott, haben muss.
Gott ist vollkommen an Wissen, Güte und Macht; deshalb kennt er (in seiner Allwissenheit) alle möglichen Welten; er will (in seiner Güte) die bestmögliche Welt erschaffen und er erschafft sie (in seiner Allmacht) auch tatsächlich.

Die drei Formen von Übel, die es in dieser Welt gibt: das metaphysische Übel (= die Begrenztheit); das physische Übel (= das Leiden) und das moralische Übel (= das Böse) gehören zur bestmöglichen Welt; denn ohne Begrenztheit wäre die Welt ein zweiter Gott, ohne Leiden würde man das Glück nicht spüren und ohne das Böse würde die Freiheit fehlen.

Da eine Welt immer eine Gesamtheit ist, in der alles miteinander zusammenhängt, ist Leibniz auch davon überzeugt, dass unsere Welt durch weniger Begrenztheit, Leiden oder Böses nicht besser, sondern schlechter wäre. Dabei setzt er voraus, dass in dieser Welt das Gute das Böse so überwiegt, dass das Gesamtergebnis nicht besser sein kann.

Die Theodizee von Leibniz hat zunächst viele Menschen überzeugt, bis das Seebeben von Lissabon am 1. Nov. 1755 (an Allerheiligen!), das in einer Nacht ca. 30.000 Todesopfer forderte, das optimistische Lebensgefühl und damit auch die Theodizee von Leibniz erschüttert hat.


 
 

Kant: Jeder lehrhafte Theodizeeversuch muss misslingen
Kant (1724-1804): „Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee" (1791) genügt es nicht zu zeigen, dass der Glaube an Gott mit dem Übel in der Welt generell vereinbar ist, sondern er fordert eine „förmliche Widerlegung aller Beschwerden", die gegen Gott erhoben werden. Andererseits ersetzt er das metaphysische Übel, von dem Leibniz spricht, durch das Problem der Ungerechtigkeit, also das Missverhältnis von Tun und Ergehen.

Kant setzt sich mit dem Theodizee-Versuch von Leibniz auseinander und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass dieser moralische Schatten auf Gott wirft und daher inakzeptabel ist.

Darüber hinaus zeigt Kant, dass auch jede zukünftige Theodizee scheitern muss, weil sie voraussetzt, dass wir Gottes Absichten und den Zustand der Welt überblicken und miteinander vergleichen können. Dazu müssten wir einen Standort oberhalb von Gott und Welt haben, und das ist unmöglich. Deshalb muss jeder lehrhafte Theodizeeversuch misslingen.

Aber es gibt für Kant eine „authentische Theodizee", die Gott als der Inbegriff der moralischen Weisheit selbst gibt. Diese findet er in der Erzählung des Hiobbuches, wo Gott sich (im Schlussteil) als Weisheit zeigt, die dem menschlichen Verstand überlegen ist und deshalb den Menschen zur Demut und zum moralischen Gehorsam veranlasst.
Indem der Mensch darauf verzichtet, das Übel in der Welt theoretisch zu erklären, sich der unerforschlichen Weisheit Gottes unterwirft und die moralische Gesetzgebung demütig akzeptiert, wird ihm die - laut Kant - einzig mögliche authentische Theodizee zuteil.
 
 
 

Georg Büchner: „Das Leiden ist der Fels des Atheismus"
Georg Büchner (1813-1837) wagt es, den Atheismus in seiner Revolutionstragödie „Dantons Tod" (1835, Uraufführung 1912!) öffentlich zu propagieren. Diesem Zweck dient das „Philosophengespräch", in dem es um das Theodizeeproblem geht.

In diesem Gespräch wird zunächst die von Leibniz vertretene Position pro und contra diskutiert. Dabei zeigt sich das metaphysische Übel (also die Begrenztheit der Welt) als das Hauptproblem, wobei die Kritiker der Theodizee zugeben müssen, dass ein vollkommener Gott nur eine unvollkommene Welt schaffen kann, weil nur Gott vollkommen ist.

Aber an dieser Stelle setzt Büchner mit seinem eigenständigen Argument ein: Wenn Gott nur eine vollkommene Welt erschaffen kann bzw. konnte, dann hätte er die Schöpfung besser unterlassen sollen; denn es ist für den Menschen (als das Geschöpf eines vollkommenen Gottes) eine schwere Kränkung, dass er selbst so unvollkommen ist.
„... nur der Verstand kann Gott beweisen, das Gefühl empört sich dagegen... warum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus. Das leiseste Zucken des Schmerzes, und rege es sich nur in einem Atom, macht einen Riss in der Schöpfung von oben bis unten".
 
 

Odo Marquard: Gottvertrauen als Glück
Der Philosoph Odo Marquard (1928-2015) betont, dass
das Theodizeeproblem zunehmend die Existenz Gottes in Frage stellt und folglich dem Menschen die ganze Verantwortung für die Welt aufbürden muss. 
Dabei kommt es zum „Verlust der Gnade" (weil es dem Menschen nicht zusteht, Gott zu begnadigen).

Durch den Atheismus verschwindet also das Theodizeeproblem nicht, sondern es wird zur (gnadenlosen) Anklage gegen den Menschen.

Marquard teilt mit Kant die Auffassung, dass eine theoretische Theodizee nicht möglich ist. Er setzt an ihre Stelle das Vertrauen auf Gott: ,Die Antworten der Theodizee sind ... durchweg unzureichend ... Darum haben wohl diejenigen recht, die dem Vertrauen auf Gott, also dem Glauben das letzte Wort geben, und das nicht zu können ist dann das eigentliche Unglück".

Diese Auffassung von Marquard erlaubt freilich auch die Umkehrung des Schlusses: „Darum haben wohl die recht, die dem Vertrauen auf Gott, also dem Glauben das letzte Wort geben, und das zu können, ist dann das eigentliche Glück".



 
Nach:
Prof. Dr. W. Härle, Professor für Systematische Theologie,Heidelberg (Vortrag)
Die Theodizeefrage - Diltheyschule Wiesbaden, 28.11. 2014

 


 

zurück
Übersicht - Religionskritik