Blaise
Pascal (1623-1662)
Gegenwart
eines Gottes, der sich verbirgt
"Ich
will hier weder die Existenz Gottes, noch die Dreieinigkeit, noch die Unsterblichkeit
der Seele, noch irgend etwas dieser Art durch natürliche Schlüsse
zu beweisen unternehmen; nicht nur, weil ich mich nicht stark genug fühle,
in der Natur irgend etwas zu finden, was verhärtete Atheisten überzeugen
könnte, sondern auch, weil solche Erkenntnis ohne Jesus Christus nutzlos
und unfruchtbar ist. Ich glaube nicht, dass jemand viel für sein Heil
gewonnen hätte, der überzeugt wäre, dass die Beziehungen
der Zahlen unstoffliche und ewige Wahrheiten seien, die von einer höchsten
Wahrheit abhingen, in der alle begründet seien und die man Gott nenne.
Der
Gott der Christen ist nicht einfach ein Gott als Urheber der geometrischen
Wahrheiten und der Ordnung der Elemente: das ist der Teil, den Heiden und
Epikureer von ihm hatten. Er ist nicht nur ein Gott, der seine Vorsehung
auf das Leben und die Güter der Menschen erstreckt, um denen, die
ihn verehren, ein langes und glückliches Leben zu schenken; das ist
der Anteil, den diejuden hatten. Sondern der Gott Abrahams, der Gott Isaaks,
der Gott Jakobs, der Gott der Christen ist ein Gott der Liebe und des Trostes,
ist ein Gott, der die Seele und das Herz derjenigen erfüllt, die er
besitzt, ist ein Gott, der sie im Innern ihr Elend und seine unendliche
Barmherzigkeit spüren läßt, dersich in der Tiefe ihrer
Seele ihnen vereint und sie mit Demut, Freude, Vertrauen und Liebe erfüllt
und sie unfähig macht, ein anderes Ziel zu haben als ihn.
Alle,
die Gott außerhalb Jesu Christi suchen und bei der Natur stehenbleiben,
finden entweder keine Erleuchtung, die sie zufriedenstellt, oder sie gelangen
dahin, sich ein Mittel zu erfinden, um Gott zu kennen und ihm ohne Mittler
zu dienen, und dadurch verfallen sie entweder dem Atheismus oder dem Deismus,
die beide die christliche Religion fast gleich verabscheut.
Ohne
Jesus Christus würde die Welt nicht bestehen, denn sie müsste
entweder zerstört worden sein oder der Hölle gleichen.
Bestünde
die Welt, um die Menschen von Gott zu lehren, so würde seine Göttlichkeit
aller Orten unbezweifelbar Widerscheinen; da sie aber nur durch Jesus Christus
und für Jesus Christus besteht, und um die Menschen sowohl ihre Verderbtheit
wie ihre Erlösung zu lehren, leuchten hieraus allem die Beweise dieser
zwiefachen Wahrheit. Alles Wahrnehmbare zeigt weder völlige Abwesenheit
noch eine offenbare Gegenwärtigkeit des Göttlichen, wohl aber
die Gegenwart eines Gottes, der sich verbirgt. Alles trägt dieses
Merkzeichen."
Blaise
Pascal, Gedanken, Fragment 270 ,Übers, von E. Wasmuth, Lambert Schneider
Verlag, Heidelberg 1981 |
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