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Sigmund Freud
legt in diesem Text seine
Sicht der Persönlichkeit dar.
"Es", "Ich" und
"Über-Ich" sind die psychischen Instanzen, die auf das Leidenschaftliche,
das Rationale und das Moralische im Menschen hinweisen.
Dabei hat das Unbewusste
einen besonderen Stellenwert. |
Abriss
der Psychoanalyse
Die Psychoanalyse macht eine
Grundvoraussetzung, deren Diskussion philosophischem Denken vorbehalten
bleibt, deren Rechtfertigung in ihren Resultaten liegt. Von dem, was wir
unsere Psyche (Seelenleben) nennen, ist uns zweierlei bekannt, erstens
das körperliche Organ und Schauplatz desselben, das Gehirn (Nervensystem),
andererseits unsere Bewusstseinsakte, die unmittelbar gegeben sind und
uns durch keinerlei Beschreibung nähergebracht werden können.
Alles dazwischen ist uns unbekannt, eine direkte Beziehung zwischen beiden
Endpunkten unseres Wissens ist nicht gegeben . . . Wir nehmen an, dass
das Seelenleben die Funktion eines Apparates ist, dem wir räumliche
Ausdehnung und Zusammensetzung aus mehreren Stücken zuschreiben, den
wir uns also ähnlich vorstellen wie ein Fernrohr, ein Mikroskop u.
dgl. . ...
Zur Kenntnis dieses psychischen
Apparates sind wir durch das Studium der individuellen Entwicklung des
menschlichen Wesens gekommen. Die älteste dieser psychischen Provinzen
oder Instanzen nennen wir das Es; sein Inhalt ist alles, was ererbt, bei
Geburt mitgebracht, konstitutionell festgelegt ist, vor allem also die
aus der Körperorganisation stammenden Triebe, die hier einen ersten,
uns in seinen Formen unbekannten psychischen Ausdruck finden. Unter dem
Einfluss der uns umgebenden realen Außenweit hat ein Teil des Es
eine besondere Entwicklung erfahren. Ursprünglich als Rindenschicht
mit den Organen zur Reizaufnahme und den Einrichtungen zum Reizschutz ausgestattet,
hat sich eine besondere Organisation hergestellt, die von nun an zwischen
Es und Außenwelt vermittelt. Diesem Bezirk unseres Seelenlebens lassen
wir den Namen des Ichs.
Die hauptsächlichen Charaktere
des Ich
Infolge der vorgebildeten Beziehung
zwischen Sinneswahrnehmung und Muskelaktion hat das Ich die Verfügung
über die willkürlichen Bewegungen. Es hat die Aufgabe der Selbstbehauptung,
erfüllt sie, indem es nach außen Reize kennerlernt, Erfahrungen
über sie aufspeichert (im Gedächtnis), überstarke Reize
vermeidet (durch Flucht), mäßigen Reizen begegnet (durch Anpassung)
und endlich lernt, die Außenwelt in zweckmäßiger Weise
zu seinem Vorteil zu verändern (Aktivität); nach innen gegen
das Es, indem es die Herrschaft über die Triebansprüche gewinnt,
entscheidet, ob sie zur Befriedigung zugelassen werden sollen, diese Befriedigung
auf die in der Außenwelt günstigen Zeiten und Umstände
verschiebt oder ihre Erregungen überhaupt unterdrückt. In seiner
Tätigkeit wird es durch die Beachtungen der in ihm vorhandenen oder
in dasselbe eingetragenen Reizspannungen geleitet. Deren Erhöhung
wird allgemein als Unlust, deren Herabsetzung als Lust empfunden ... Das
Ich strebt nach Lust, will der Unlust ausweichen. Eine erwartete, vorausgesehene
Unluststeigerung wird mit dem Angstsignal beantwortet, ihr Anlass, ob er
von außen oder innen droht, heißt Gefahr . . . Als Niederschlag
der langen Kindheitsperiode, während der werdende Mensch in Abhängigkeit
von seinen Eltern lebt, bildet sich in seinem Ich eine besondere Instanz
heraus, in der sich dieser elterliche Einfluss fortsetzt. Sie hat den Namen
des Über-Ichs erhalten. Insoweit dieses Über-Ich sich vom Ich
sondert und sich ihm entgegenstellt, ist es eine dritte Macht, der das
Ich Rechnung tragen muss.
Eine Handlung des Ichs ist
dann korrekt, wenn sie gleichzeitig den Anforderungen des Es, des Über-Ichs
und der Realität genügt, also deren Ansprüche miteinander
zu versöhnen weiß. Die Einzelheiten der Beziehung zwischen Ich
und Über-Ich werden durchwegs aus der Zurückführung auf
das Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern verständlich. Im Elterneinfluss
wirkt natürlich nicht nur das persönliche Wesen der Eltern, sondern
auch der durch sie fortgepflanzte Einfluss von Familien-, Rassen- und Volkstradition
sowie die von ihnen vertretenen Anforderungen des jeweils sozialen Milieus.
Ebenso nimmt das Über-Ich im Laufe der individuellen Entwicklung Beiträge
von seiten späterer Fortsetzer und Ersatzpersonen der Eltern auf,
wie Erzieher, öffentliche Vorbilder, in der Gesellschaft verehrter
Ideale. Man sieht, dass Es und Über-Ich bei all ihrer fundamentalen
Verschiedenheit die eine Übereinstimmung zeigen, dass sie die Einflüsse
der Vergangenheit repräsentieren, das Es den der ererbten, das Über-Ich
im wesentlichen den der von anderen übernommenen, während das
Ich hauptsächlich durch das selbst Erlebte, also Akzidentelle und
Aktuelle bestimmt wird . . .
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Das Unbewusste ist die allein
herrschende Qualität im Es. Es und Unbewusstes gehören ebenso
innig zusammen wie Ich und Vorbewusstes . . . Ein Rückblick auf die
Entwicklungsgeschichte der Person und ihres psychischen Apparates lässt
uns eine bedeutsame Unterscheidung im Es feststellen. Ursprünglich
war ja alles Es, das Ich ist aus der fortgesetzten Einfluss der Außenwelt
aus dem Es entwickelt worden. Während dieser langsamen Entwicklung
sind gewisse Inhalte des Es in den vorbewussten Zustand gewandelt und so
ins Ich aufgenommen worden. Andere sind unverändert im Es als dessen
schwer zugänglicher Kern geblieben . . . |
Diesen letzten Anteil des
Es heißen wir mit Rück sicht auf seine Entstehung das Verdrängte
. . . Überblicken wir jetzt .. . die Situation, in die wir uns mit
unserem Versuch, dem neurotischen Ich Hilfe zu bringen, begeben haben.
Dieses Ich kam die Aufgabe, welche ihm die Außenwelt einschließlich
der menschlichen Gesellschaft stellt, nicht mehr erfüllen. Es verfügt
nicht über all seine Erfahrungen, ein großer Teil seines Erinnerungsschatzes
ist ihm abhanden gekommen. Seine Aktivität wird durch strenge Verbote
des Über-Ichs gehemmt seine Energie verzehrt sich in vergeblichen
Versuchen zur Abwehr der Ansprüche des Es. Überdies ist es infolge
der fortgesetzten Einbrüche des Es in seiner Organisation geschädigt,
in sich gespalten bringt keine ordentliche Synthese zustande, wird von
einander widerstrebenden Strebungen, unerledigten Konflikten, ungelösten
Zweifeln zerrissen
S. Freud, Abriss der Psychoanalyse,
Frankfurt 1965, S. 9ff.
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