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Kirchen und Religionen zur Organspende
 
Die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche  in Deutschland haben bereits 1990 übereinstimmend eine Erklärung herausgegeben, in der sie die Organspende im Prinzip befürworten. Den folgenden Texten ist die ethische Begründung zu entnehmen.
Betont wird aber auch die Freiwilligkeit der Organspende, die Widerspruchslösung wird kritisch gesehen.
Organspende
Erklärung 1990 


 

Leben und Tod im christlichen Verständnis
Folgerungen und Empfehlungen
vollständiger Text der Erklärung
Weitere
Stellungnahmen
Ethische Probleme der Organtransplantation 
  Wolfgang Huber, 2001  - Auszug
 

Gemeinsame Stellungnahme der EKD und des Kommissariats der deutschen Bischöfe
Gesetzentwurf zum Transplantationsgesetz (20.9. 2019)

Organspende muss freier Akt der Nächstenliebe bleiben
  Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, 2019

EKD:  Stellungnahmen zur Organspende
  Umfangreiches Archiv

Keine christliche Verpflichtung zur Organspende
  Evangelische Kirche nimmt Stellung zu den Vorschlägen des Bundesgesundheitsministers (2018)
 

Weitere Religionen
zur Organspende
Islam
Judentum
Buddhismus
Hinduismus
Shintoismus
Konfuzianismus

Planet Wissen - Religionen und Organspende
Chrismon  -  Was sagen die Kirchen zur Organspende?

 



 
 
Gemeinsame Erklärung 
der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (1990)

Leben und Tod im christlichen Verständnis

Die Bibel preist Gott als den Schöpfer und Erhalter des Lebens. Er setzt sowohl dem Kosmos wie dem Leben aller Kreaturen Grenze und Maß. Der Mensch, der als einziges Wesen sich seiner Endlichkeit bewusst ist, handelt klug, wenn er seines kommenden Todes eingedenk bleibt und die ihm gegebene Zeit verantwortungsbewusst nutzt.

Das Wissen um den eigenen Tod stellt den Menschen vor die Frage, wie er sein Leben angesichts des sicheren Todes versteht, welchen Sinn er seinem Leben und Sterben gibt. Hier gibt es in unserer Gesellschaft unterschiedliche Einstellungen. Der Tod kann verdrängt oder tabuisiert, als das natürliche Ende der Lebenskurve des Menschen hingenommen, philosophisch überhöht oder als die befreiende Trennung der unsterblichen Seele vom vergänglichen Leib betrachtet werden. Diese verschiedenen "Todesbilder" stellen eine Herausforderung an die christliche Sicht des Todes dar.

Wie alle Menschen haben auch die Christen Angst vor dem Tod, der nach dem Zeugnis der Schrift der letzte Feind ist (vgl. 1 Kor 15,26; Offb 20,14). Der Tod ist auch "Sold der Sünde", Zeichen der Entfremdung von Gott, der Quelle und Fülle des Lebens.

Doch der harten Wirklichkeit des Todes setzt Gott die unzerstörbare Kraft seines Lebens entgegen. Durch Jesu Tod und Auferstehung ist das Urteil über den Tod gefällt. Es besagt, dass nicht der Tod, sondern das Leben das letzte Wort behält. In der Nachfolge Jesu ist der Tod nicht mehr nur das Schicksal, das über uns kommt. Er kann christlich als Ausdruck des Willens des göttlichen Vaters verstanden und angenommen werden.

Für den christlichen Glauben ist der Tod Ende der Pilgerschaft und Durchgang zum ewigen Leben. Das ewige Leben ist zwar bereits in unserem irdischen Dasein gegenwärtig, aber noch nicht in seiner ganzen unbedrohten Fülle. Wer glaubt, ist bereits jetzt vom Tod zum Leben hinübergegangen (vgl. Joh 5,24; vgl. auch Röm 6,13). Deshalb sind wir in diesem Leben nicht nur vom Tod umfangen, sondern zugleich vom ewigen Leben Gottes erfüllt, und erst dadurch können wir die Todesangst überwinden. Wenn wir den Tod als Durchgang zum ewigen Leben bezeichnen, dann führt er nicht ins Nichts hinein oder in eine häufige Wiederverkörperung der Seele (Reinkarnation), sondern wir können aus der Offenbarung sein Ziel angeben. Nach dem Abschiedsgebet Jesu heißt dieses Ziel: dort sein, wo Jesus ist (vgl. Joh 17,24). Die himmlische Herrlichkeit, in die Jesus uns durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt vorangegangen ist, wird auch unsere endgültige Heimat sein, zu der wir geschaffen und berufen sind (vgl. Joh 14,1-3).

Der Durchgang zum ewigen Leben ist eine für uns noch unvorstellbare Begegnung mit dem liebenden und richtenden Gott. Mit seiner ganzen Lebensgeschichte steht der Mensch unverstellt vor Gott. Wie der Übergang aus diesem Leben in Gottes Ewigkeit erfolgt, bleibt letztlich ein für uns nicht zu enthüllendes Geheimnis. Die Sterbensforschung gibt uns zwar wichtige Einblicke in den gesamtmenschlichen Prozess des Sterbens; doch der Zustand des Todes ist davon zu unterscheiden. Die Toten gehören einer anderen Ordnung an als die Lebenden.

Der christliche Glaube schenkt uns die Gewissheit, dass es ein Leben nach dem Tod gibt und daß die Toten auferstehen. Der Tod reißt den Menschen nicht von Gott weg, denn Gott ist "kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig" (Lk 20,38). Das hat Gott bestätigt im großen Zeichen der Auferweckung Jesu von den Toten. Der Glaube an die Auferstehung Jesu ist das sichere Fundament unseres Glaubens an die Auferstehung der Toten (vgl. Röm 8,11; I Kor 15,12-22).

Leibliche Auferstehung bedeutet neue, durch den Geist Gottes verwandelte und verklärte Leiblichkeit. Diese zukünftige Wirklichkeit können wir uns nicht ausmalen. Sie ist nicht als Fortsetzung unseres irdischen Leibes vorzustellen, sondern bedeutet eine unaussprechliche Wirklichkeit, welche die irdische Leiblichkeit in eine neue Dimension überführt. So tief auch die Verwandlung reichen mag, es handelt sich nicht um einen totalen Bruch zwischen irdischem Leben und himmlischer Vollendung in der Auferstehung der Toten, sondern um die Verwandlung unseres jetzigen Lebens und um eine wesenhafte (nicht stoffliche) Identität auch des Leibes: "Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit" (1 Kor 15,53).

Vom christlichen Verständnis des Todes und vom Glauben an die Auferstehung der Toten kann auch die Organspende von Toten gewürdigt werden. Dass das irdische Leben eines Menschen unumkehrbar zu Ende ist, wird mit der Feststellung des Hirntodes zweifelsfrei erwiesen. Eine Rückkehr zum Leben ist dann auch durch ärztliche Kunst nicht mehr möglich.

Wenn die unaufhebbare Trennung vom irdischen Leben eingetreten ist, können funktionsfähige Organe dem Leib entnommen und anderen schwerkranken Menschen eingepflanzt werden, um deren Leben zu retten und ihnen zur Gesundung oder Verbesserung der Lebensqualität zu helfen. So verständlich es auch sein mag, dass mancherlei gefühlsmäßige Vorbehalte gegen die Entnahme von Organen eines Hirntoten bestehen, so wissen wir doch, dass bei unserem Tod mit unserem Leib auch unsere körperlichen Organe alsbald zunichte werden. Nicht an der Unversehrtheit des Leichnams hängt die Erwartung der Auferstehung der Toten und des ewigen Lebens, sondern der Glaube vertraut darauf, dass der gnädige Gott aus dem Tod zum Leben auferweckt. 

Die respektvolle Achtung vor Gottes Schöpferwirken gebietet freilich, dass der Leichnam des Toten mit Pietät behandelt und würdig bestattet wird. Die Ehrfurcht vor den Toten ist eine Urform der Sittlichkeit. In allen Kulturen zeigt sich die Haltung zum Leben auch in der Pietät vor den Toten. Die Beerdigungsliturgie weist darauf hin: "Dein Leib war Gottes Tempel. Der Herr schenke dir ewige Freude." So wird in Ehrfurcht Gott zurückgegeben, was er gegeben hatte, und der Zuversicht Ausdruck verliehen, dass allein Gott die Quelle des Lebens ist.

Zugleich kann in der Organspende noch über den Tod hinaus etwas spürbar werden von der "größeren Liebe" (Joh. 15,13), zu der Jesus seine Jünger auffordert.

Folgerungen und Empfehlungen

Mit Dank und Respekt wissen die Kirchen zu würdigen, welche neuen Wege medizinische Forschung und ärztliche Heilkunst eröffnet haben. Menschen, die wegen unheilbarer Erkrankung eines lebenswichtigen Organs bitterem Siechtum oder alsbaldigem Sterben ausgesetzt sind, können Hilfe erfahren, wenn ihnen durch Transplantation ein neues Organ eingesetzt werden kann. Manchen Menschen mag es schwer fallen mitzuvollziehen, welch raschen Fortgang wissenschaftliche Erkenntnisse und ihre praktische Anwendung nehmen. Dürfen wir alles in die Tat umsetzen, was wir können? 

Die unantastbare Würde des Menschen bestimmt die Grenzen, die unbedingt zu achten und einzuhalten sind. Im Blick auf die Möglichkeiten, die die Transplantationschirurgie erschlossen hat, kann die Einsicht weiterhelfen, dass sie dem recht verstandenen Wohl des Menschen zu dienen vermag. Verantwortliches Mitdenken aller ist darum erforderlich, damit ärztlichem Können gebührendes Vertrauen und öffentliche Unterstützung entgegengebracht werden.

Wir wissen, dass unser Leben Gottes Geschenk ist, das er uns anvertraut hat, um ihm die Ehre zu geben und anderen Menschen zu helfen. Diese Bestimmung unseres Lebens gilt bis zum Sterben, ja möglicherweise über den Tod hinaus. Denn irdisches Leben schwerkranker Menschen kann gerettet werden, wenn einem soeben Verstorbenen lebensfähige Organe entnommen werden dürfen, um sie zu transplantieren. 

Wer darum für den Fall des eigenen Todes die Einwilligung zur Entnahme von Organen gibt, handelt ethisch verantwortlich, denn dadurch kann anderen Menschen geholfen werden, deren Leben aufs höchste belastet oder gefährdet ist. Angehörige, die die Einwilligung zur Organtransplantation geben, machen sich nicht eines Mangels an Pietät gegenüber dem Verstorbenen schuldig. Sie handeln ethisch verantwortlich, weil sie ungeachtet des von ihnen empfundenen Schmerzes im Sinne des Verstorbenen entscheiden, anderen Menschen beizustehen und durch Organspende Leben zu retten.

In diesem Zusammenhang wird deutlich, wie wichtig es ist, das allgemeine Bewusstsein für die Notwendigkeit der Organspende zu vertiefen. Es warten viele Schwerkranke bzw. Behinderte auf ein Organ, weit mehr als Organe für Transplantationen zur Verfügung stehen. Die Ärzte und ihre Mitarbeiter, aber auch die christlichen Gemeinden, sind aufgerufen, ihren Beitrag zur sachlichen Aufklärung der Bevölkerung zu leisten, um mehr Möglichkeiten der Transplantation zu verwirklichen. Aus christlicher Sicht ist die Bereitschaft zur Organspende nach dem Tod ein Zeichen der Nächstenliebe und Solidarisierung mit Kranken und Behinderten.
 



Weitere Religionen zur Organspende
 

Judentum
Es gibt einen Konflikt zwischen liberalen und orthodoxen Tendenzen bezüglich der Organspende. Während liberalere Juden das Leben höher bewerten als die Unversehrtheit des Leichnams, legen orthodoxe Juden viel Wert auf die Integrität des toten Körpers. Gemäß der Halacha ist das Hirntodkriterium unzureichend als Todesfeststellung, da diese mehrere Symptome voraussetzt. So gilt ein Mensch erst als tot, wenn er keine Atmung und keinen Herzschlag mehr hat. Im Judentum gilt das Leben und seine Erhaltung als das höchste Gut. 
Eines der wichtigsten der 613 Gebote ist Leben zu retten. Dies darf aber nicht auf Kosten eines anderen geschehen, was in Bezug auf den Hirntod noch der Klärung bedurfte. Israels Chefrabbinat hat in den späten 80er Jahren das Hirntodkriterium und somit postmortale Organspenden akzeptiert, sofern keine Profite aus dem Körper entstehen und der Leichnam mit Respekt behandelt wird. 

Juden wurde durch diesen Umschwung in der religiösen Lehrmeinung nicht nur erlaubt, Organspender zu werden, sondern sie wurden dazu durch ein religiöses Gebot (mizveh) sogar aufgerufen. Selbst einige ultraorthodoxe Juden tolerieren seitdem Organtransplantationen.

Es entspricht dem Grundprinzip der jüdischen Religion, dass der menschliche Körper eigentlich Gott gehört und nur als eine Leihgabe angesehen werden darf. Daher kann man nicht frei über seinen Körper verfügen, sich willentlich Verletzungen zuführen oder sich freiwillig in Gefahr begeben. Allerdings kann dieses Gesetz beiseite geschoben werden, wenn es darum geht, menschliches Leben zu retten. Allerdings darf man auch dann nicht das eigene Leben gefährden. Daher sind Blut- Haut oder Knochenmarkspenden in der Regel problemlos, auch die Lebendspende einer Niere ist nach Meinung zahlreicher Autoritäten vertretbar.
 

Islam
Da es auch im Islam verschiedene Glaubensrichtungen gibt, herrscht kein Konsens oder einheitliches Meinungsbild beim Thema Organspende. 

Religiöse Gesetzestexte erlauben in verschiedenen islamischen Ländern die Transplantation von soliden Organen, wenn sie die einzig lebensrettende Behandlung für den Empfänger darstellt. Entgegen der traditionellen Sicht ist Organspende im heutigen Islam erlaubt und gilt als Zeichen der Nächstenliebe. Voraussetzung für Organspenden sind wie im deutschen Transplantationsgesetz der festgestellte Tod und die Zustimmung des Spenders oder der Angehörigen.
Der Spender sollte bei klarem Verstand und volljährig sein und sein Einverständnis erklärt haben. Organe von Kindern oder entmündigten Menschen können auch mit Zustimmung der Erziehungsberichtigten oder Betreuer entnommen werden. Auch Lebendspenden sind möglich. Allerdings muss der Nutzen für den Empfänger den möglichen Schaden für den Spender überwiegen.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat in seiner Stellungnahme zur Organtransplantation das Transplantationsgesetz von 1997 als mit dem islamischen Prinzip vereinbar eingestuft.
Einige religiöse Würdenträger sind allerdings gegen postmortale Organspenden, da der Körper Allah gehöre und nicht verletzt werden dürfe.
 

Buddhismus
Der Buddhismus betrachtet den menschlichen Körper als unzertrennbare Einheit aus Körper und Seele. Diese Einheit wird durch den Todesprozess aufgehoben. Gemäß dem buddhistischen Glauben dauert der Todesprozess allerdings länger als äußerlich sichtbar. Vor allem die tibetisch-buddhistischen Anhänger stehen deshalb der Organspende kritisch gegenüber. Der Tod als prozesshafter Vorgang steht im Widerspruch zu einem festgestellten Todeszeitpunkt bei der Hirntoddiagnostik. Zu den Grundsätzen des Buddhismus und zu den Voraussetzungen zur
Erlangung des Nirwana gehören Mitgefühl, Geben, Teilen und Solidarität. Betont wird dabei, dass der Mensch sich nicht mit seinem Körper identifizieren und sich nicht an ihn klammern soll. Deshalb ist Lebendspende und postmortale Spende von Organen sowie Xenotransplantation erlaubt.

Schintoismus
Der Schintoismus und sein zentraler Wert, die Reinheit, prägen die ethische und ethnische Identität der Japaner. Organentnahmen bei Verstorbenen werden abgelehnt, da sie als Schändung des Leichnams gelten. Die Integrität und Reinheit des Körpers ist von übergeordneter Bedeutung und soll über den Tod hinaus bewahrt bleiben. Nur ein unversehrter Leichnam ermöglicht die Wiedergeburt der Seele. Darüber hinaus käme eine Zustimmung zur Organspende durch die Angehörigen der Missachtung des Verstorbenen gleich und wäre ein „Unglücksbringer“ für die eigene Familie. Obwohl ein toter Körper Inbegriff der Unreinheit ist und schnell „entsorgt“ werden muss, wird der Geist des Toten durch die Ahnenverehrung „vergöttlicht“. Bezweifelt wird außerdem, dass der Hirntod der tatsächliche Tod des Menschen ist, da nur der Ausfall der Gehirnfunktionen gemessen würde.
 

Hinduismus
Die Seele des Verstorbenen lebt weiter und wird in einem anderen Lebewesen wiedergeboren. Obwohl im Hinduismus Körper und Seele klar getrennt wahrgenommen werden, herrscht die Meinung vor, dass der Leichnam unversehrt bleiben müsse. Es gibt allerdings keine religiösen Bestimmungen, die Organspende und -transplantation verbieten. Generell ist dies eine individuelle Entscheidung. Organspende gilt im Hinduismus vorwiegend als Teil der Tradition, dem Leidenden zu helfen.
 

Konfuzianismus
Konfuzius gilt als Begründer der chinesischen Staatsreligion (China und Ostasien). Im Konfuzianismus steht die gesellschaftliche Bedeutung eines Menschen im Vordergrund. Wenn das Leben eines Menschen seine jeweilige existenzielle Bedeutung für die Gesellschaft verliert, verliert auch der Mensch an Lebenssinn. Der Nutzen einer medizinischen Behandlung für den Einzelnen wird mit dem Nutzen für die Gemeinschaft abgewogen. Die in unserem Kulturkreis so wichtige Autonomie des Einzelnen ist nach Konfuzius ohne Bedeutung. Nach dem Tod ist
die Unversehrtheit des Leichnams anzustreben, da er als „Ganzes“ in der Verbrennung dem Himmel übergeben werden soll. Nur bei demjenigen, dessen Verbrechen auch durch den Tod nicht gesühnt werden können, werden Organe entnommen. Die Bereitschaft zur Organspende ist gering.

(nach: Deutsche Stiftung für Organspende)


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Ethische Probleme der Organtransplantation 
Wolfgang Huber, 2001
 
 

Wolfgang Huber Professor Dr. theol., geb. 1942.
ehem. Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg;
2003-2009 Ratsvorsitzender der EKD

... Der Ausgangspunkt lag in dem Respekt vor der Würde des Menschen und der damit verbundenen Pflicht zur Lebenserhaltung und Lebensförderung. Deshalb werden Organtransplantationen von den Kirchen grundsätzlich bejaht; soweit der Organentnahme aus freien Stücken zugestimmt wird, kann man in ihr einen Akt der Nächstenliebe über den Tod hinaus sehen. Doch mit dem Hinweis auf die in diesem Fall vorausgesetzte freie Zustimmung ist auch schon das Problem benannt. Organtransplantationen sind grundsätzlich ethisch zulässig; sie können und dürfen aber nicht für alle zur Pflicht gemacht werden. Vielmehr bedarf es klarer Richtlinien im Blick auf die Zulässigkeit und die Modalitäten der Transplantation.

Dem dient das Transplantationsgesetz von 1997, dessen Entstehung die Kirchen intensiv begleitet haben. Es verschafft einer breiten gesellschaftlichen Zustimmung zur Organtransplantation rechtlichen Ausdruck. Es gießt die Zustimmung zu dieser Möglichkeit, leidenden oder gar in ihrem Leben bedrohten Menschen zu helfen, in die Form des Gesetzes. Volle Einhelligkeit in den ethischen Voraussetzungen für ein solches Gesetz konnte in der Diskussion freilich nicht erreicht werden. Umstritten blieben bis zuletzt vor allem die Frage der Todesdefinition und die Möglichkeit der Organentnahme auf der Grundlage einer Zustimmung Dritter.

Unstrittig ist, dass im Hirntod nach dem gegenwärtigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis ein untrügliches Todeszeichen zu sehen ist. Umstritten dagegen ist, ob dieses untrügliche Todeszeichen mit dem Tod der menschlichen Person schlechthin gleichgesetzt werden kann. Denn wenn eine Organentnahme beabsichtigt ist, werden auch nach Eintreten des Hirntodes die Herzkreislauffunktionen aufrecht erhalten. In welchem Sinn von einem Menschen gesagt werden kann, er sei tot, wenn Herz und Kreislauf noch aktiv sind, ist für viele Menschen eine offene Frage. Umgekehrt erklären viele Mediziner es für einen unerträglichen Zustand, wenn nicht die menschliche Person als tot erklärt werden kann, bevor eine Explantation vorgenommen wird; deshalb beharren sie auf der Gleichsetzung des Hirntodes mit dem Tod der menschlichen Person.

Das Organtransplantationsgesetz von 1997 hat darauf verzichtet, den Hirntod ohne weiteres mit dem Tod der menschlichen Person gleichzusetzen oder überhaupt eine Todesdefinition vorzulegen. Vielmehr wird die Todesfeststellung an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis gebunden. Damit wird der Vorläufigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis Rechnung getragen; die Offenheit für bessere wissenschaftliche Einsicht wird in die rechtliche Regelung integriert. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass wir menschliches Sterben als einen Prozess zu begreifen und zu beschreiben haben. Daraus erklärt es sich, dass wir auch in unserem Umgang mit Gestorbenen, in der Fürsorge für ihren Leichnam, in der Bereitschaft, sie pietätvoll zu Grabe zu tragen, und in der Ehrerbietung gegenüber dem Ort der Beisetzung einen Respekt vor der Würde der menschlichen Person zum Ausdruck bringen, der über den Tod hinauswirkt. Einstweilen ist es noch eine Minderheit, die schnöde sagt, der Leichnam eines Menschen sei vom Zeitpunkt des Todes an sowieso nichts anderes als der verwesliche Rest einer gewesenen Person. Und auch die zunehmende Praxis anonymer Bestattungen hebt ein kulturelles Orientierungsmuster nicht vollständig auf, in welchem wir das Sterben des Menschen als einen Prozess betrachten und auch dem Leichnam des Verstorbenen denjenigen Respekt entgegenbringen, der sich aus einem umfassenden Verständnis menschlicher Würde ergibt. Im christlichen Glauben hat dieser Respekt seinen tiefsten Grund in der Verheißung, dass der verwesliche Körper des Menschen unverweslich auferstehen wird: “Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich; ... es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib” (1. Korinther 15, 42 f.). 

In der Diskussion über die Organtransplantation sind diese sehr grundsätzlichen, auf unser Bild vom Menschen und auf unser Verständnis menschlicher Sterblichkeit bezogenen Fragen immer wieder angeklungen. Ebenso grundsätzlich waren und sind die Fragen, die sich auf die Bedeutung von menschlicher Freiheit und Autonomie für das Thema beziehen. Wenn die Freigabe der eigenen Organe zur Transplantation als Verfügung des Menschen über sich selbst verstanden wird, kann sie im Grunde nur auf der Basis freier Zustimmung erfolgen. Sieht man die Dinge so, nimmt man freilich zugleich an, dass auch die menschliche Freiheit eine Ausstrahlungswirkung über den individuellen Tod hinaus hat. Auch das spricht dagegen, dass die Würde der Person mit dem Eintreten des Todes an ein abruptes Ende kommt. Dem hat das deutsche Transplantationsgesetz von 1997 Rechnung getragen, obgleich es sich nicht kompromisslos an eine enge Zustimmungslösung gebunden hat, die eine Organentnahme nur dann ermöglichen würde, wenn eine ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen für den Fall seines Todes vorläge. Vielmehr hat es auch die Möglichkeit eröffnet, dass nächste Angehörige in Übereinstimmung mit dem mutmaßlichen Willen eines Organspenders die Zustimmung zur Organentnahme erklären können.

Die Kluft zwischen dieser Regelung und der Überzeugung derer, die einer engen Zustimmungslösung anhängen, lässt sich umso eher überbrücken, je mehr unter den Bürgerinnen und Bürgern die Bereitschaft wächst und gefördert wird, sich zu Lebzeiten mit diesem Thema auseinanderzusetzen und eine ausdrückliche Entscheidung über die Bereitschaft zur Spende der eigenen Organe zu treffen. Dabei muss in der gesellschaftlichen Diskussion die Freiheit gewahrt werden, eine Organentnahme für sich selbst zu bejahen oder auch zu verneinen. Organentnahme kann eine Tat der Nächstenliebe über den Tod hinaus sein. Aber sie ist keine Bringschuld. Die Kirche setzt sich dafür ein, die Bereitschaft zur Organspende zu wecken und zu stärken; aber sie wertet diejenigen nicht moralisch ab, die sich nicht für die Organspende entscheiden.

3.
Besondere Probleme verbinden sich mit dem Bereich der Lebendspende. Sie hat in den letzten Jahren in bemerkenswertem Maß an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2000 waren es nach Angaben der Bundesärztekammer in Deutschland 436 Menschen, die einem Angehörigen eine Niere oder einen Teil der Leber gespendet haben. Die Bundesärztekammer hat mit guten Gründen gerade für diesen Bereich eine besondere Pflicht zur Qualitätssicherung festgestellt. Denn Menschen, die zu einer Lebendspende bereit sind, setzen sich damit auch einem besonderen gesundheitlichen Risiko aus. Die Frage, ob dieses Risiko aus Liebe zum Nächsten übernommen werden kann und soll, muss besonders sorgfältig bedacht werden. Einen Menschen zu veranlassen, langfristig nur mit einer Niere zu leben, bringt den in eine Mitverantwortung, der ihm diesen Schritt nahelegt. Im Letzten kann darüber jeder Mensch nur persönlich entscheiden. Auch Eltern dürfen ihre Kinder nicht zu einer Organspende verpflichten oder diese Entscheidung stellvertretend für ihre Kinder treffen. Für Christen ist sowohl die Zustimmung zu einer Lebendspende als auch deren Ablehnung eine ethisch verantwortbare Möglichkeit.

Das Transplantationsgesetz hat diesen ethischen Überlegungen durch Sonderbestimmungen für den Bereich der Lebendspende Rechnung getragen. So hat es eigens die Bedingung aufgenommen, eine Lebendspende nur durchzuführen, wenn sich die organspendende und die organempfangende Person vorher zur Teilnahme an einer ärztlichen Nachbetreuung bereit erklärt haben und wenn eine Kommission bei der Ärztekammer gutachterlich zur Frage der Freiwilligkeit Stellung genommen hat. Das Gesetz hat generell Lebendspenden nur unter Verwandten oder Menschen mit einer vergleichbar engen persönlichen Beziehung zugelassen; dadurch ist der gerade in diesem Fall besonders hohen Gefahr des Organhandels hoffentlich wirkungsvoll vorgebeugt.

4.
Besonders umstritten ist eine neuere Entwicklung auf dem Gebiet der Neurochirurgie, nämlich die Transplantation von fetalem Hirngewebe. Weltweit wurde bereits über 200 Personen fremdes Hirngewebe implantiert, das von abgetriebenen Föten stammte. Erklärtes Ziel der Forschung an wie des Einsatzes von fetalem Hirngewebe ist es, neurologische Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer, Chorea Huntington oder Multiple Sklerose auf diese Weise heilen oder doch zumindest in ihren Folgen lindern zu können. Im Unterschied zu Schweden, Frankreich, den USA und anderen Ländern wird dieses Verfahren in Deutschland bisher nicht angewandt. Die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer hat vielmehr ein Moratorium erwirkt, das den Einsatz dieses Mittels von weiterer Grundlagenforschung abhängig macht.

Die Kirchen haben hierzu in ihrer gemeinsamen Erklärung zu Organtransplantationen von 1990 erklärt: “Die Übertragung bestimmter Gehirnzellen von Embryonen auf Parkinsonkranke ist solange abzulehnen, wie sie eine Abtreibung voraussetzt.” Denn kein Forschungs- oder Heilungsziel, wie hochrangig es auch sein kann, vermag eine Abtreibung zu rechtfertigen. Würden wir die Abtreibung zu therapeutischen Zwecken freigeben, so würden wir vielmehr den menschlichen Embryo zu einem bloßen Mittel zum Zweck machen; wir würden ihn instrumentalisieren. Wir würden dadurch demonstrieren, dass der Embryo ohne jeden Anteil an der Würde der menschlichen Person ist. Es könnte nicht einmal die Rede davon sein, dass – wie derzeit viele argumentieren – der Schutz der Menschenwürde in der vorgeburtlichen Entwicklung Stufen und Stadien durchläuft und erst mit der Geburt des Menschen zu seiner vollen Entfaltung kommt. Bei einem Schwangerschaftsabbruch zu therapeutischen Zwecken wäre vielmehr mit einem hohen Zweck zugunsten Dritter die vollständige Negation der Menschenwürde des werdenden Menschen verbunden. Umstritten ist freilich in diesem Zusammenhang vor allem auch, ob bei Schwangerschaftsabbrüchen, die aus anderem Grund ohnehin erfolgt sind, und unter der Voraussetzung, dass die Mutter dieser Verwendung von fetalem Gewebe aus freien Stücken zugestimmt hat, eine solche Verwendung denkbar und verantwortbar sein kann. Aber die Frage zu stellen, heißt deutlich zu machen, in welcher menschlichen Grenzlage man sich mit derartigen Überlegungen bewegt. Was mutet man einer Frau zu, die unmittelbar nach dem Schwangerschaftsabbruch mit einer solchen Frage konfrontiert wird, die man ihr vorher noch nicht hat stellen dürfen, wenn man denn nicht schon die Entscheidung über den Schwangerschaftsabbruch selbst durch eine solche Perspektive beeinflussen wollte?

Ohne Zweifel bedeutet eine solche Verwendung von abgetriebenen Embryonen eine zusätzliche Belastung für die schwangere Frau. Das medizinische Verwertungsinteresse würde sich de facto doch schon auf Zeitpunkt und Methode des Abbruchs auswirken; in seinem unmittelbaren Zusammenhang müsste die Frau eine zusätzliche, sehr weittragende Entscheidung treffen. Vor allem aber muss man bedenken, dass Eltern, die der Bitte um eine solche “Verwertung des abgetriebenen Kindes” zugestimmt haben, damit eine Art “Rechtfertigung” für die Abtreibung, die schließlich doch einem guten Zweck dient, angeboten erhalten, die mit dem eigentlichen Schwangerschaftskonflikt nichts zu tun hat.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht abzusehen, ob und wann die Transplantation von fetalem Hirngewebe die Hoffnungen erfüllen könnte, die in diese Methode gesetzt werden. In jedem Fall wäre eine solche Therapie auf eine große Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen angewiesen. Denn bis zu acht Embryonen aus der achten bis zwölften Schwangerschaftswoche werden für einen Heilversuch benötigt. Man möchte wünschen, dass ein solcher Weg, der für Missbrauch, ja auch für Kommerzialisierung in besonderem Maß anfällig ist, nicht eingeschlagen werden muss.
 

5.
Die Hoffnungen, die sich gegenwärtig auf die Forschung an embryonalen Stammzellen und auf den schon vollzogenen therapeutischen Einsatz von adulten Stammzellen richten, sind auch deswegen so hoch, weil sie den Umfang verringern könnten, in dem Organtransplantationen notwendig sind, und weil sie eine Alternative zur Transplantation von fetalem Hirngewebe darstellen könnten. Mit dem Einsatz adulter Stammzellen zur Therapie des Herzinfarkts ist in dieser Richtung möglicherweise ein wichtiger Schritt nach vorn gelungen. Er ist kirchlicherseits auch deshalb mit Freude begrüßt worden, weil die Forschung an und der Einsatz von adulten Stammzellen ethisch weit eher zu akzeptieren ist als die Forschung an oder der Einsatz von embryonalen Stammzellen. Denn mit letzterer verbindet sich erneut die Gefahr, dass ein Embryo nur und ausschließlich dazu erzeugt wird, Mittel zum Zweck, nämlich Lieferant von embryonalen Stammzellen zu sein. Der Hinweis darauf, es handle sich eben um einen “überzähligen Embryo”, ist nur ein schwacher Trost – und dies erst recht in einem Land, das die Produktion “überzähliger” Embryonen absichtsvoll ausgeschlossen hat. Am Horizont eines solchen Weges erscheint das therapeutische Klonen, also die Vorstellung von einem nach der Methode Dolly erzeugten menschlichen Klon, der als Vorratslager für körperverträgliche Organtransplantate dienen kann.

Mit den Fortschritten der Lebenswissenschaften tastet sich die Forschung offenbar auch zum Kern menschlicher Identität vor. Am Problem der Xenotransplantation stellt sich hintergründig die Frage, ob personale Identität auch eine somatische Entsprechung hat. Während zunächst gefragt wurde, ob die Transplantation eines fremden Menschenherzen die Identität und Individualität des Menschen antastet, stellt sich nun die Frage, ob die Transplantation von Organen einer anderen Gattung - konkreter: eines Schweineherzen - die Identität und Individualität des Menschen berührt. Manche Mediziner nehmen die Tatsache, dass eine Gehirntransplantation bisher als nicht möglich erscheint, als einen Hinweis darauf, wo die somatische Entsprechung zur Identität des Menschen zu suchen ist  - eben im Gehirn. Bei einer solchen Überlegung orientieren sie sich implizit am Verständnis des Menschen als animal rationale. Sie machen also - ähnlich wie bei dem Umgang mit dem Hirntodkriterium - von einer höchst voraussetzungsreichen anthropologischen Prämisse Gebrauch....

Ethische Probleme der Organtransplantation (EKD.de)


Organspende muss freier Akt der Nächstenliebe bleiben
Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, 2019
 

Die Organspende muss nach den Worten von Kardinal Marx auch künftig ein freier Akt der Nächstenliebe bleiben. Die Freiheit und Würde des Einzelnen und seine Entscheidung seien die "absolute Grenze" auch gegenüber Ansprüchen des Gemeinwohls, sagte er. "Der Körper ist nicht ein Ersatzteillager, sondern hat seine eigene Würde", so der Kardinal.

Angesichts niedriger Spenderzahlen will der Gesetzgeber die Organspende wohl noch in diesem Jahr neu regeln. Marx wandte sich mit seinen Ausführungen gegen die sogenannte Widerspruchslösung. Sie sieht vor, dass jeder als Organspender gilt, sofern er dem nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat. Auch Angehörigen steht demnach kein eigner Entscheidungsspielraum mehr zur Verfügung.

Die entsprechende Gesetzesinitiative wird von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach getragen. Ein konkurrierender Gesetzentwurf will hingegen an der derzeit gültigen persönlichen Zustimmung als Voraussetzung einer Organentnahme festhalten, diese aber durch eine Entscheidungslösung verbindlicher machen. Er wird von den ehemaligen Gesundheitsministern Ulla Schmidt (SPD) und Hermann Gröhe (CDU) sowie der Grünen-Chefin Annalena Baerbock getragen.

Marx plädierte für eine freie und informierte Entscheidung. Dies sei schon angesichts der Konsequenzen, die der Einzelne bei der Zustimmung zur Organentnahme auf sich nehme, geraten. Zugleich warb der Kardinal für die Organspende als Akt der Nächstenliebe. Dazu müsse ermutigt werden. Er wandte sich aber ausdrücklich dagegen, das Gemeinwohl als Rechtfertigung für einen fast automatischen Zugriff des Staates auf die Organe heranzuziehen.
 

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