Vorwort
Die Deutsche Bischofskonferenz
und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland haben im Jahr 1988
eine Arbeitsgruppe zu Fragen der Gewebe und Organtransplantationen eingesetzt.
Dieses Thema wird bereits kurz behandelt in der Gemeinsamen Erklärung
des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz
in Verbindung mit den übrigen Mitglieds- und Gastkirchen der Arbeitsgemeinschaft
Christlicher Kirchen: Gott ist ein Freund des Lebens. Herausforderungen
und Aufgaben beim Schutz des Lebens, Trier/Gütersloh 1989, S. 102-105.
Die medizinische Forschung
hat durch die Organverpflanzung neue Möglichkeiten erschlossen, um
die Gesundheit vieler Menschen wiederherzustellen oder gar ihr Leben zu
retten. Anliegen dieser Gemeinsamen Erklärung ist es darzulegen, welche
medizinischen, rechtlichen und ethischen Gesichtspunkte bei der Transplantationschirurgie
zu beachten sind und wie vom christlichen Verständnis des Sterbens
und des Todes her eine verantwortliche Stellungnahme gefunden werden kann.
Die Kirchen sehen unter bestimmten Bedingungen, die in der Erklärung
genannt sind, in einer Organspende durchaus die Möglichkeit, über
den Tod hinaus sein Leben in Liebe für den Nächsten hinzugeben.
Eine Organverpflanzung kann
zwar das Leben verlängern, doch trotz aller Erfolge der Transplantationschirurgie
sind dem ärztlichen Wirken auch hier Grenzen gesetzt. Gesundheitliche
Gefährdungen oder Krankheiten können überwunden werden,
doch der Tod kann dadurch nicht endgültig vertrieben werden. Darum
bleibt die Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens und Sterbens bestehen
und verlangt nach einer verlässlichen Antwort, die im Leben und im
Sterben Rückhalt und Orientierung zu geben vermag. Die dankbare Anerkennung
des medizinischen Fortschritts und gerade auch der Erfolg der Transplantationschirurgie
muss mit einem nüchternen Urteil, mit Hilfsbereitschaft und mit der
Erkenntnis der dem Menschen gesetzten Grenzen verbunden sein. Dann kann
man auch heute Gott als den wirklich einzigen Herrn über Leben und
Tod anerkennen und ihm allein die Ehre geben.
Wir danken der Arbeitsgruppe
für das intensive Gespräch zwischen Medizin in Theorie und Praxis,
Recht, pastoraler Sorge um den kranken Menschen und theologischer Ethik.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir es nicht versäumen, den Forschern
und Ärzten, Schwestern und Pflegern sowie allen, die sich um die kranken
Menschen sorgen, für ihre Bemühungen um die Erhaltung und Wiederherstellung
der Gesundheit ein aufrichtiges Wort des Dankes zu sagen. Der Dank gilt
vor allem dem barmherzigen Gott, der durch die Hilfe von Menschen so viel
Gutes wirken lässt.
Bonn/Hannover, den 31. August
1990
Bischof Martin Kruse
Vorsitzender des Rates der
Evangelischen Kirche in Deutschland
Bischof Karl Lehmann
Vorsitzender der Deutschen
Bischofskonferenz
1. Zur Situation der Gewebe-
und Organtransplantationen
1.1 Entwicklung der Transplantationen
Ein alter Wunsch der Menschheit
ist in Erfüllung gegangen: Organe können zur Lebensrettung, zur
Lebensverlängerung oder zur Verbesserung der Lebensqualität Schwerkranker
verpflanzt werden. Schon Jahrhunderte hat man sich mit diesem Thema beschäftigt.
So berichtet die Legenda aurea ( 12631273), die frühchristlichen Ärztebrüder
Kosmas und Damian hätten einem Kranken das Bein eines "heute begrabenen,
noch frischen Mohren" übertragen. Künstler haben die Szene wiederholt
dargestellt. Auch aus späteren Jahrhunderten werden Erzählungen
von Transplantationen einzelner Körperteile überliefert. Aber
erst zu Anfang unseres Jahrhunderts wurden die wissenschaftlichen Voraussetzungen
für erfolgreiche Gewebeübertragungen (Blut, Haut und Augen-Hornhaut)
geschaffen. Die Ära der Organverpflanzungen beginnt 1954 mit der ersten
erfolgreichen Nierentransplantation. Mittlerweile sind weltweit etwa 350.000
Nieren verpflanzt worden; zu diesem Erfolg hat auch der medizinische Fortschritt
durch die bessere Beherrschung der Organabstoßung beigetragen. Heute
werden auch Transplantationen von Knochen, Gehörknöchelchen und
Knochenmark sowie des Herzens, der Leber und der Bauchspeicheldrüse
durchgeführt. Die Lungentransplantation wird sich weiterentwickeln.
Der folgende Text befasst
sich allein mit Transplantationen von Mensch zu Mensch, nicht mit der Übertragung
tierischer Organe auf den Menschen und nicht mit den Bemühungen um
künstliche Organe.
1.2 Allgemeine ethische
Überlegungen
Der Fortschritt der Medizin
rückt vieles von dem, was einst schicksalhaft hinzunehmen war, in
den Bereich menschlicher Planung und damit menschlicher Verantwortung.
So stellen sich mit den heutigen Möglichkeiten der Gewebe und Organtransplantationen
auch ethische Fragen. Die ethische Beurteilung von Organtransplantationen
erstreckt sich zunächst auf die Belange des Empfängers und des
Spenders sowie auf die Aufgaben des Arztes. Daneben sind auch kulturelle
und soziale Auswirkungen sowie rechtliche Bestimmungen von der Ethik mitzubedenken.
Die beiden ärztlichen Grundsätze: "Das Wohl des Kranken ist das
oberste Gesetz" und "Dem Kranken nicht schaden" gelten auch für die
Transplantation.
Auf Seiten des Empfängers
ist der zu erwartende Nutzen gegen den möglichen Schaden abzuwägen.
Transplantationen sollen Leben erhatten, verlängern und verbessern;
sie können bestimmte Leiden verringern und bestimmte Erkrankungen
heilen. Niemand hat allerdings einen Anspruch auf Körperteile eines
lebenden oder toten Mitmenschen. Kranke dürfen jedoch zu ihrer Behandlung
freiwillig gespendete Gewebe und Organe als Geschenk von anderen annehmen;
sie müssen aber auch wissen, dass nicht alle Transplantationen gelingen.
Der Empfänger eines Organs braucht keine Änderung seines Wesens
zu befürchten, kann aber zuweilen bedenken, dass er das Organ eines
anderen, meistens eines verstorbenen Menschen in sich trägt.
Auf Seiten des Spenders
bestehen neben medizinischen und rechtlichen auch ethische Grenzen der
Organentnahme. Ein lebender Spender darf mit einer Organspende nicht seinen
Tod herbeiführen. Er darf also nur ein paariges Organ (z. B. eine
Niere) spenden, von unpaarigen Organen und Geweben nur Teile. Ganze lebensnotwendige
Organe dürfen überhaupt nur von Toten entnommen werden.
Die medizinisch utopische
Verpflanzung des Gehirns verbietet sich ethisch, weil mit diesem Organ
die persönlichkeitsbestimmenden Merkmale verbunden sind. Die Übertragung
bestimmter Gehirnzellen von Embryonen auf Parkinsonkranke ist solange abzulehnen,
wie sie eine Abtreibung voraussetzt. Die Transplantation von Keimdrüsen
ist abzulehnen, da sie in die genetische Individualität des Menschen
eingreift. Organentnahmen bei Anenzephalen (d. h. Neugeborenen ohne Großhirn)
ohne Hirntodfeststellung sind auch ethisch nicht zu vertreten.
Kein Lebender darf aus irgendeinem
Grund zu einer Organspende genötigt werden. Eine Organspende aus ökonomischen
Motiven ist ebenso wie der Organhandel ethisch nicht vertretbar. Der Verkauf
eigener Organe ist ein Verstoß gegen die Würde des Menschen.
Handelt es sich um einen
toten Spender, so gebührt dem Leichnam respektvolle Behandlung und
dem Willen des Verstorbenen besondere Beachtung. Wer sich zu Lebzeiten
zur Organspende nach seinem Tod äußert, nimmt seinen Angehörigen
die zuweilen schmerzliche Last einer Entscheidung ab und erspart ihnen
die Not von Mutmaßungen über seinen Willen.
Die Ärzte und ihre
Mitarbeiter tragen nicht nur für die Durchführung und die Weiterentwicklung
der Transplantationen Verantwortung. Sie sind vielmehr durch die Hoffnung
und das Vertrauen der Kranken gerade bei unsicheren Erfolgsaussichten zu
einer besonders gewissenhaften Prüfung verpflichtet, ob und inwieweit
die angestrebte Transplantation helfen wird. Die Entscheidung muß
stets beim Kranken und seinen Angehörigen bleiben, dem Arzt obliegt
es, dabei zu helfen.
Bedenken über die sozialethische
Berechtigung der Transplantationsmedizin und der dafür nötigen
kostenintensiven Spitzentechnologie sind angesichts der Notlage vieler
Völker der Dritten Welt verständlich. Unter Berücksichtigung
der hohen Erfolgsrate der Eingriffe, die für den Patienten nicht nur
eine Verlängerung des Lebens und eine Verbesserung der Lebensqualität
bedeuten, sondern im Vergleich zu einer Langzeittherapie meist auch eine
kostengünstigere Lösung bieten, stellen solche Bedenken dennoch
keinen Grund zum Verzicht auf Transplantationen dar.
Trotz der Erfolge der Transplantationsmedizin
muss freilich beachtet werden, dass sie nicht nur biologisch das Leben
verlängern, sondern dem Kranken eine reale Chance für gesundes
Leben bieten soll. Die neuen Organe sollen dem Leben neue Jahre schenken,
die Jahre mit neuem Leben erfüllen helfen.
2. Empfänger von
Geweben und Organen
2.1 Anlässe (Indikationen)
und Ergebnisse von Transplantationen
Die Übertragung der
Hornhaut soll eine Erblindung oder schwere Sehstörung durch Hornhauterkrankungen
und -verletzungen abwenden. Sie ist in 90 % erfolgreich. Die Übertragung
von Knochenmark bei Entartung der Blutzellen und anderen schweren Blutkrankheiten
wird unter nahen Verwandten mit hoher Gewebeübereinstimmung durchgeführt;
unter entsprechend günstigen Bedingungen gelingt sie in 60-80 % und
bringt die Leukämie in etwa 50 % zum Verschwinden. Wie Blut kann aber
auch Knochenmark unter nicht blutsverwandten Menschen mit Gewebeübereinstimmung
zunehmend erfolgreich übertragen werden.
Die Transplantationen der
Niere, des Herzens und der Leber haben sich mittlerweile bewährt.
Die Indikationen zu diesen Transplantationen sind medizinisch gesichert:
Ein chronisches Nierenversagen lässt sich auf lange Sicht besser mit
einer transplantierten natürlichen als mit Hilfe der künstlichen
Niere behandeln; schwer nierenkranke Kinder können nur durch die Transplantation
vor bleibenden Wachstumsschäden bewahrt werden. Für Kranke mit
bestimmten Leiden des Herzmuskels oder der Herzkranzgefäße bietet
allein die Transplantation eine Überlebenschance. Dies gilt ebenso
für Patienten mit Leberschrumpfung, Lebergeschwulst oder raschem Leberzerfall
durch eine (virale) Entzündung. Wenn der für die Transplantation
günstige Zeitpunkt nicht versäumt wird, sind heute schon gute
Ergebnisse zu erwarten: Etwa 75-80 % der verpflanzten Nieren arbeiten wenigstens
ein Jahr, die meisten davon mehrere Jahre. Rund 80 % der schwer Herz- oder
Leberkranken leben mit einer Transplantation mehrere Jahre, während
sie sonst innerhalb weniger Wochen oder Monate sterben. Die Transplantation
anderer Organe, etwa der Lunge, der Bauchspeicheldrüse oder des Dünndarms,
ist bisher noch mit großen Risiken verbunden.
Die Empfänger von Organen
können in den meisten Fällen durch die Transplantation eine langfristige
gute körperliche, seelisch-geistige und soziale Rehabilitation erreichen.
Dennoch dürfen die Fortschritte der Gewebe- und Organtransplantation
nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Behandlung für
viele Erkrankungen, besonders für die meisten bösartigen Organgeschwülste,
nicht in Betracht kommt.
2.2 Organverteilung
Für die vielen auf
eine Transplantation wartenden Kranken stehen zu wenige Spenderorgane zur
Verfügung. Dieses Missverhältnis macht die Organverteilung praktisch
wie ethisch zu einem schwierigen Problem. Die Entscheidung darüber,
wer ein zur Verfügung stehendes Organ erhalten soll, muß getroffen
werden vor allem aufgrund der Dringlichkeit und der Erfolgsaussichten einer
Transplantation wie auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Wartezeit;
dabei werden allerdings diese drei Aspekte nicht immer völlig in Einklang
zu bringen sein, weil eine Transplantation unter Umständen zwar besonders
dringlich, zugleich jedoch weniger erfolgversprechend sein kann.
Konkrete Regeln und Richtlinien
der Organverteilung werden fortlaufend von der Arbeitsgemeinschaft der
Transplantationszentren in der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich
Berlin West e.V, der Eurotransplant Foundation Leiden, dem European Liver
Transplant Club oder der European Heart Association erarbeitet.
Die Regeln und Richtlinien
sind für die einzelnen Organe unterschiedlich: Herz- und Lebertransplantationen
werden nach ihrer Dringlichkeit durchgeführt. Bei der Nierentransplantation
geben den Ausschlag die bestmögliche Gewebeübereinstimmung und
damit der langfristige Erfolg; dank der künstlichen Niere gibt es
bei Erwachsenen kaum akut dringliche Nierentransplantationen.
Bei Kindern allerdings gilt die Nierentransplantation
wegen deren Bedeutung für das Wachstum grundsätzlich als vordringlich.
Bei gleicher oder weitgehend ähnlicher Gewebeverträglichkeit
entscheidet die Wartezeit.
In der Bundesrepublik Deutschland
werden die Organe vor allem über die Zentrale der Eurotransplant Foundation
im niederländischen Leiden verteilt. Hier sind alle wichtigen Daten
der Kranken registriert, die auf eine Niere, ein Herz, eine Leber oder
eine Bauchspeicheldrüse warten. Eine mögliche Organspende wird
sofort diesem Zentrum gemeldet; dort werden die Empfänger im Eurotransplant-Bereich
(Benelux-Staaten, Bundesrepublik Deutschland, Österreich) ermittelt,
für die sich die entnommenen Organe besonders eignen.
2.3 Ethische Beurteilung
Die positive Grundeinstellung
des Kranken ist für jede Behandlung, besonders aber für eine
Organtransplantation, wichtig. In aller Regel wird vom Patienten eine Transplantation
dann dringend erwünscht, wenn sie die einzige Chance in Lebensgefahr
oder bei großer gesundheitlicher Beeinträchtigung darstellt.
Dieser Wunsch nach Erhaltung des eigenen Lebens ist berechtigt. Trotzdem
müssen sich der Kranke und - zumal beim kranken Kind - seine Familie
vor einer Transplantation auch mit den möglichen Gefahren und Belastungen
auseinandersetzen: Die Wartezeit ist oft lang und die Organverpflanzung
nicht immer erfolgreich. Die Abhängigkeit des eigenen Wohls vom Tod
eines anderen Menschen kann als belastend empfunden werden. Zu den Belastungen
zählen ferner die meist lebenslange medikamentöse Nachbehandlung
(Immunsuppression) und noch mehr die Furcht vor dem Ausfall des verpflanzten
Organs. So sehr die behandelnden Ärzte das Vertrauen des Kranken in
eine Organtransplantation für die Behandlung nutzen dürfen und
sollen, müssen sie sich doch bei noch nicht genügend erprobten
Transplantationen ihrer besonderen ethischen Verantwortung bewusst sein.
Nicht jeder Wunsch nach einer Transplantation kann erfüllt werden;
die Ablehnung muss dem Kranken verständlich gemacht werden.
Schwierige ärztlich-ethische
Probleme entstehen infolge des Mangels übertragbarer Organe. Entschieden
werden muss daher zwischen einer Transplantation als einziger, aber nur
sehr kleiner Überlebenschance und einer Transplantation mit hoher
langfristiger Heilungsaussicht. Die Not einer solchen Entscheidung kann
nur durch mehr Organspenden gemildert werden. Das Vertrauen der Öffentlichkeit
und das Verständnis der wartenden Kranken hängen auch davon ab,
daß die Grundsätze der Organverteilung transparent und nachvollziehbar
sind.
3. Spender von Geweben
und Organen
3.1 Gewebe und Organe
von Lebenden
Die bekannteste und häufigste
Gewebeübertragung ist die Bluttransfusion. Dem lebenden Spender können
auch ohne größere Belastung und Gefährdung Teile des Knochenmarks
entnommen werden.
Der lebende Mensch kann
von seinen Organen eine Niere und in besonderer Notlage ausnahmsweise einen
Teil der Bauchspeicheldrüse, der Leber oder des Dünndarms spenden.
Mit solchen Eingriffen verbinden sich jedoch besondere medizinische, rechtliche
und auch ethische Fragen.
3.1.1 Medizinische Überlegungen
Die Entnahme (Explantation)
einer Niere oder von Teilen anderer Organe ist für Gesundheit und
Leben des Spenders nicht ungefährlich. Zwar schließen die sorgfältigen
Voruntersuchungen ungeeignete Spender aus, und die bestmögliche Durchführung
des Eingriffs kann die Risiken für den Spender gering halten. Aber
derzeit weiß man noch nicht, ob die Explantation einer gesunden Niere
auch noch nach 20 und mehr Jahren so gut vertragen wird wie in den ersten
Jahren. Daher lehnen einige Chirurgen Nierentransplantationen zwischen
Lebenden ab.
Andererseits kann innerhalb
einer Familie der Wunsch, einem kranken Angehörigen durch eine Organspende
zu helfen, sehr stark werden. Für den Empfänger hat eine Organtransplantation
zwischen Blutsverwandten große Vorteile: Sie läßt sich
auf den günstigsten Zeitpunkt legen, vor allem aber bietet sie wegen
der größeren Übereinstimmung der Gewebeeigenschaften (immunologisch)
sehr gute Erfolgsaussichten. Dies gilt besonders für eine Nierentransplantation
von einem Elternteil auf ein Kind. Deshalb transplantieren Ärzte in
vielen Zentren Nieren zwischen Verwandten, wenn auch allgemein in begrenztem
Umfang, in der Bundesrepublik Deutschland seltener als in Ländern,
in denen es nicht für jeden Nierenkranken einen Dialyseplatz gibt.
Wesentlich stärkere Zurückhaltung ist gegenüber einer Organtransplantation
zwischen nichtverwandten Lebenden geboten. Sie hat im allgemeinen keine
immunologischen Vorteile. Die Bedenken ihr gegenüber haben aber noch
tiefere Gründe: Zwar entwickelt sich der Spendewunsch meistens aus
einer bewusst selbstlosen Hilfs- und Opferbereitschaft, aber zuweilen scheint
er ungenügend bedacht zu sein. Das Geflecht von Beweggründen
des einzelnen Menschen zur Organspende lässt sich auch ärztlich
nur schwer und unvollständig
durchschauen. Wie weit darf,
wie weit muss der Arzt dabei gehen? Jedenfalls soll ausgeschlossen werden,
dass die Beziehung zwischen Spender und Empfänger durch Abhängigkeit,
finanzielle Abwicklung oder Erpressung belastet wird. Deshalb hat die Arbeitsgemeinschaft
der Transplantationszentren beschlossen, grundsätzlich keine Organe
zwischen nichtverwandten Lebenden zu transplantieren. Ausnahmen wie Organspenden
zwischen Ehegatten oder von Adoptiveltern für Adoptivkinder bedürfen
strenger, jedoch allgemein annehmbarer Richtlinien.
3.1.2 Rechtslage der Organspende
von Lebenden
In der Bundesrepublik Deutschland
gibt es bisher kein Transplantationsgesetz, das die Rechtsfragen der Transplantation
speziell regelt. Ihre Zulässigkeit bestimmt sich damit nach allgemeinen
rechtlichen Grundsätzen.
Nach ständiger Rechtsprechung
erfüllt jeder, auch der notwendige und sachgerecht durchgeführte
ärztliche Heileingriff den Straftatbestand der Körperverletzung,
weil er die Unversehrtheit des Körpers berührt. Gerechtfertigt
und damit erlaubt wird diese Körperverletzung aber durch die Einwilligung
des betroffenen Kranken. Wirksam ist die Einwilligung jedoch nur, wenn
der Kranke einsichtsfähig ist und zuvor über Art, Ziel und gegebenenfalls
andere Möglichkeiten der Behandlung sowie über die Folgen, Gefahren
und Risiken des Eingriffs aufgeklärt wurde, wenn er also weiß,
worin er einwilligt.
Da die Organentnahme für
den Spender keinen Heileingriff darstellt, werden an die Einwilligung besonders
strenge Anforderungen gestellt. Der Spender muss bis in alle Einzelheiten,
also auch über ganz fernliegende Risiken, aufgeklärt werden.
Seine Einwilligung in die Organentnahme muss freiwillig, d. h. ohne jeden
Zwang und in Kenntnis aller Nachteile, erfolgen, und er muss jederzeit
von seinem Entschluss Abstand nehmen können. Nicht eingewilligt werden
kann in die Entnahme von unpaarigen lebenswichtigen Organen; sie ist stets
rechtswidrig.
Die Einsichts- und damit
Einwilligungsfähigkeit von Minderjährigen und geistig Behinderten
in eine Lebendspende von Organen wird wegen der Tragweite des Eingriffs
überwiegend verneint. Problematisch ist, ob die Sorgeberechtigten
die Zustimmung erteilen dürfen. Diese Frage stellt sich vor allem
bei medizinisch aussichtsreichen - Transplantationen zwischen Geschwistern,
besonders eineiigen Zwillingen. Wegen des unlösbaren Interessenkonflikts
wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine Einwilligung
durch die Sorgeberechtigten nicht möglich ist. Ob ein gerichtlich
bestellter Pfleger die Einwilligung geben kann, ist umstritten.
Anders ist die Spende von
Knochenmark zu beurteilen, die aus medizinischen Gründen vorwiegend
zwischen nahen Verwandten in Betracht kommt. Sie ist ein weitgehend ungefährlicher
Eingriff, der keine bleibenden Auswirkungen und Gefahren hat, da das Knochenmark
sich regeneriert. In eine Knochenmarkspende können daher die Sorgeberechtigten
einwilligen, wenn die Gefahr für die Gesundheit des einen Kindes verhältnismäßig
gering und auf der anderen Seite die Rettung des kranken Geschwisters zu
erhoffen ist.
Mit der Lebendspende ist
die Gefahr eines Organhandels verbunden. Um sie für die Bundesrepublik
Deutschland auszuschließen, haben sich die hiesigen Transplantationszentren
verpflichtet, Lebendspenden grundsätzlich nur unter Verwandten durchzuführen.
Die Gründe für
die Ablehnung eines Organhandels sind vielfältig:
- Die Einwilligung des Spenders
in eine Lebendspende muss freiwillig erfolgen, um wirksam zu sein. Niemand
kann aber mit Sicherheit feststellen, ob der Spender die Einwilligung wirklich
freiwillig, d. h. bewusst und gewollt und nach reiflicher Abwägung
aller Risiken, erteilt. Die Gefahr ist groß, dass in engen Beziehungen
oder in persönlicher Abhängigkeit der Gesunde dem Druck ausgesetzt
ist oder sich ihm ausgesetzt fühlt, dem Kranken eine Niere abzugeben.
Genauso wenig können finanzielle Absprachen vermieden werden.
- Abzulehnen ist ein Verkauf
von Organen auch unter dem Aspekt des Spenderschutzes. Der Spender ist
davor zu bewahren, sich aus einer meist finanziellen Zwangslage heraus
einem medizinischen Risiko - dem der Operation selbst und dem möglicher
Spätfolgen - auszusetzen und irreversibel zu schädigen, wobei
der Erfolg seiner Opfertat, das Funktionieren des Organs in einem fremden
Körper, nicht einmal gewährleistet ist.
- Der Organhandel würde
die Gefahr bedeuten, dass die Verteilung von Organen nicht mehr oder nicht
mehr ausschließlich nach medizinischen, sondern nach finanziellen
Kriterien erfolgte. Damit würden zum einen mittellose Kranke gegenüber
wohlhabenderen benachteiligt, zum anderen aber könnten sich materiell
schwächer Gestellte unabsehbare finanzielle Verpflichtungen aufbürden.
Auf jeden Fall wäre die Gleichheit in der medizinischen Behandlung
aufgehoben.
Trotz des Risikos eines
Organhandels erscheint eine ausnahmslose Ablehnung der Lebendspende nicht
vertretbar. Für Verwandte, insbesondere für Eltern dialysepflichtiger
Kinder, unter Umständen aber auch für Nicht-Verwandte wie vor
allem Ehegatten würde es in vielen Fällen eine unzumutbare Härte
bedeuten, wenn sie allein aus prinzipiellen Erwägungen heraus kein
Organ spenden könnten. Auch würden für sie die psychischen
Belastungen, dem ihnen nahestehenden Kranken nicht helfen zu dürfen,
die gesundheitlichen Risiken unter Umständen übersteigen.
Eine rechtliche Handhabe,
vor allem eine strafrechtliche Sanktion für Handlungen im Zusammenhang
mit dem Kauf und Verkauf von Organen, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland
praktisch nicht. Zwar ist eine Einwilligung in eine Körperverletzung
nach § 226a StGB unwirksam, wenn sie gegen die "guten Sitten" verstößt,
die Körperverletzung ist dann also nicht gerechtfertigt. Auf diesem
Weg könnten aber nur tatsächlich durchgeführte Organentnahmen
von Lebenden - tatbestandsmäßige Körperverletzungen - strafrechtlich
erfasst werden. Eine reine Vermittlungstätigkeit, die nicht zu einer
Organentnahme geführt hat, bleibt straflos.
Zivilrechtlich ist ein Vertrag,
der den Kauf oder Verkauf eines Organs zum Inhalt hat, wegen Verstoßes
gegen die "guten Sitten" nichtig (§ 138 BGB). Die guten Sitten sind
verletzt, wenn der Vertrag nach seinem Inhalt, Beweggrund oder Zweck gegen
das Anstandsgefühl aller "billig und gerecht Denkenden" verstößt.
Das ist nach heutiger Anschauung der Fall, wenn Teile des menschlichen
Körpers Gegenstand von Rechtsgeschäften sind. Die Rechtsfolge
der Nichtigkeit des Vertrages bedeutet für den Spender, dass er das
vereinbarte Entgelt nicht einfordern, und für den Empfänger,
dass er keinen Anspruch auf das Organ geltend machen könnte, selbst
wenn er schon bezahlt hätte. Für den Organvermittler hat die
Nichtigkeit des Vertrages zur Folge, dass er von keiner Seite die vereinbarte
Leistung verlangen könnte. Diese zivilrechtlich für alle Beteiligten
nachteiligen Folgen können aber nicht als hinreichender Schutz gegen
einen Organhandel angesehen werden.
Eine gesetzliche Regelung
der Organtransplantation wird wegen der fehlenden rechtlichen Möglichkeiten,
Organhandel und darauf gerichtete Tätigkeiten unter Strafe zu stellen,
von vielen für wünschenswert gehalten. Außerdem sollte
der Umfang der Zulässigkeit von Lebendspenden vom Gesetzgeber eindeutig
festgelegt werden.
3.1.3 Ethische Beurteilung
Kein Mensch ist zu einer
Gewebe- oder Organspende verpflichtet und darf deshalb auch nicht dazu
gedrängt werden. Die Entscheidung über eine Lebendspende seiner
Organe kann nur der einzelne persönlich treffen. Auch Eltern dürfen
nicht über die Organspende ihres Kindes entscheiden; lediglich in
eine Gewebespende (z. B. Knochenmarkspende) dürfen sie einwilligen.
Der vermittelnde Arzt hat eine besondere Verantwortung, da niemand die
wirkliche Freiwilligkeit der Organspende kontrollieren kann.
Wenn ein Lebender in freier
persönlicher Entscheidung ein Organ spendet, dann ist die Organübertragung
fachgerecht durchzuführen und für die medizinische Nachbehandlung
des Spenders wie des Empfängers zu sorgen. Es muss auch beachtet werden,
dass sich zwischen Spender und Empfänger keine problembeladene Beziehung
entwickelt (Abhängigkeit, unangemessene Dankbarkeit, Schuldgefühle).
Aus christlicher Sicht gibt
es keinen grundsätzlichen Einwand gegen eine freiwillige Organspende.
Bedenken ergeben sich nur aus der Möglichkeit des Missbrauchs (z.
B. Organhandel).
Nach christlichem Verständnis
ist das Leben und damit der Leib ein Geschenk des Schöpfers, über
das der Mensch nicht nach Belieben verfügen kann, das er aber nach
sorgfältiger Gewissensprüfung aus Liebe zum Nächsten einsetzen
darf. Das schließt eine Entschädigung von Aufwendungen für
die Gewebe- und Organspende nicht aus, verbietet aber einen dadurch erstrebten
Gewinn.
3.2 Gewebe und Organe
von Toten
Gewebe von einem Verstorbenen
können noch Stunden nach dem bleibenden Herzstillstand explantiert
werden, Organe nur bei künstlich aufrecht erhaltener Herz- und Kreislauftätigkeit.
Hirnverletzungen infolge von Verkehrsunfällen und Hirnblutungen infolge
innerer Erkrankungen sind die häufigsten Todesursachen der zur Organspende
geeigneten Toten. Die Eignung zu einer Organspende hängt nicht allein
vom Alter ab. Auch Gewebe und Organe älterer verstorbener Menschen
können transplantiert werden. Je nach den medizinischen Umständen
und nach der Einwilligung können mehrere Organe desselben Spenders
explantiert werden. Eine solche Spende mehrerer Organe hat eine besondere
Bedeutung, weil sie einerseits die Behandlung mehrerer Kranker ermöglicht,
andererseits eine größere Belastung für die Angehörigen,
aber auch für das Klinikpersonal darstellen kann.
Der Operationsschnitt wird
auch am toten Spender gewissenhaft vernäht. Bei der Entnahme von Knochen
oder von Teilen der Haut wird versucht, eine Entstellung der Leiche zu
vermeiden.
3.2.1 Sichere Feststellung
des Todes
Die meisten zu übertragenden
Organe werden nicht lebenden, sondern hirntoten Spendern entnommen. Der
äußere Unterschied zwischen Herztod und Hirntod kann irrtümlich
so gedeutet werden, als ob Gewebe und Organe schon vor und nicht erst nach
dem Tod des Spenders entnommen würden. Daher ist für das Vertrauen
in die Transplantationsmedizin nicht nur die ärztlich selbstverständliche
sichere Feststellung des Todes vor der Organspende entscheidend wichtig,
sondern auch die allgemeine Kenntnis des Unterschieds zwischen Herztod
und Hirntod.
Herztod heißt bleibender
Stillstand des Herzens und damit auch des Kreislaufs. Durch den allgemeinen
Ausfall der Blutversorgung hört die Tätigkeit aller übrigen
Organe gleichzeitig und so rasch auf, dass der Eindruck eines einzigen
Ereignisses, nicht eines fortlaufenden Geschehens entsteht. Dagegen stirbt
beim Hirntod das gesamte Gehirn vor allen übrigen Organen ab. Ihre
Tätigkeit lässt sich von da an noch eine Zeitlang künstlich
aufrechterhalten, aber doch eben nur noch künstlich und ohne jede
Aussicht auf eine Erholung des Gehirns. Daher heißt Hirntod vollständiger
und bleibender Verlust der gesamten Hirntätigkeit unter den Bedingungen
der Intensivbehandlung, einschließlich der künstlichen Beatmung.
Der Begriff "Hirntod" wurde
schon im Jahr 1800 geprägt, rund 150 Jahre bevor er durch die Entwicklung
von Beatmungsgeräten für die medizinische Praxis wichtig werden
konnte. Noch heute umschreibt er allein das Krankheitsgeschehen ohne Bezug
zu irgendwelchen Zwecken. Dementsprechend kann der Begriff Hirntod nicht
für noch so schwere Schäden oder Fehlbildungen (Anenzephalie)
mit teilweise erhaltener Hirntätigkeit gelten, ebenso wenig für
das im Mutterleib wachsende Kind, dessen Hirntätigkeit sich erst entwickeln
wird. Der vollständige Verlust der gesamten Hirntätigkeit wird
durch wissenschaftlich allgemein anerkannte und den Ärzten gut bekannte
Befunde festgestellt, der bleibende Verlust wird durch die Verlaufsbeobachtung
oder durch Untersuchungen mit Geräten bewiesen, die eine so schwere
Hirnschädigung zeigen, dass sie eine Erholung sicher ausschließen.
Die entscheidenden Untersuchungen müssen durch zwei Ärzte erfolgen,
die nicht an einer später möglichen Organübertragung mitwirken
dürfen. Der Hirntod wird auch festgestellt zur Beendigung einer zwecklos
gewordenen Intensivbehandlung und ohne eine später mögliche Organspende.
Der einwandfreie Beleg des Hirntodes lässt sich später jederzeit
zweifelsfrei überprüfen. Der Nachweis des Hirntodes ist der Nachweis
eines bereits bestehenden Sachverhalts, keine Beurteilung eines erst künftigen
Krankheitsverlaufs, keine bloß rechtliche Todeserklärung.
Der Hirntod bedeutet ebenso
wie der Herztod den Tod des Menschen. Mit dem Hirntod fehlt dem Menschen
die unersetzbare und nicht wieder zu erlangende körperliche Grundlage
für sein geistiges Dasein in dieser Welt. Der unter allen Lebewesen
einzigartige menschliche Geist ist körperlich ausschließlich
an das Gehirn gebunden. Ein hirntoter Mensch kann nie mehr eine Beobachtung
oder Wahrnehmung machen, verarbeiten und beantworten, nie mehr einen Gedanken
fassen, verfolgen und äußern, nie mehr eine Gefühlsregung
empfinden und zeigen, nie mehr irgendetwas entscheiden. Nach dem Hirntod
fehlt dem Menschen zugleich die integrierende Tätigkeit des Gehirns
für die Lebensfähigkeit des Organismus: die Steuerung aller anderen
Organe und die Zusammenfassung ihrer Tätigkeit zur übergeordneten
Einheit des selbständigen Lebewesens, das mehr und etwas qualitativ
anderes ist als eine bloße Summe seiner Teile. Hirntod bedeutet also
etwas entscheidend anderes als nur eine bleibende Bewusstlosigkeit, die
allein noch nicht den Tod des Menschen ausmacht.
Die Ärzte müssen
den medizinisch eindeutigen Sachverhalt nicht nur feststellen, sondern
auch den Angehörigen des Verstorbenen verständlich machen, bevor
sie die Frage der Organspende stellen. Auf diesem Gebiet erfahrene Ärzte
wissen, dass als häufigste Gründe für die Einwilligung in
die Organspende die Hilfe für notleidende andere, die menschenfreundliche
Hilfsbereitschaft des Verstorbenen und das Bemühen um einen Sinn des
Geschehenen genannt werden.
3.2.2 Rechtliche Grundlagen
der Organentnahme vom Toten
Die Organentnahme vom toten
Spender ist ebenso wie die vom lebenden rechtlich nicht ausdrücklich
geregelt. Auch hier bestimmt sich die Zulässigkeit deshalb nach allgemeinem
Recht.
Erste und unabdingbare Voraussetzung
für die Organentnahme von einem Toten ist die sichere Feststellung
des Hirntodes. Der Hirntod ist heute in fast allen Ländern als das
maßgebliche Merkmal für den Tod des Menschen anerkannt. Eine
gesetzliche Definition des Todes und des Todeszeitpunktes gibt es bei uns,
wie ganz überwiegend auch im Ausland, nicht.
Die Entnahme eines lebenswichtigen
Organs von einem Patienten, dessen Hirntod noch nicht sicher eingetreten
ist, wäre strafrechtlich Totschlag, die Entnahme einer Niere zumindest
gefährliche Körperverletzung.
Auch die Organentnahme vom
Toten bedarf einer Rechtfertigung. Der Leichnam, in dem der Eigenwert und
die Würde des Menschen nachwirken, ist durch das den Tod überdauernde
sog. postmortale Persönlichkeitsrecht aus
Artikel 2 Abs. 2 Grundgesetz
geschützt. Ein Eingriff in den Leichnam ist daher nur dann zulässig,
wenn er gerechtfertigt ist. Als Rechtfertigungsgrund für die Organentnahme
kommen nach derzeit geltendem Recht die vom Spender selbst zu Lebzeiten
oder nach seinem Tod durch seine Angehörigen erteilte Einwilligung
in Betracht sowie der Notstand.
- Aus dem postmortalen Persönlichkeitsrecht
folgt, dass der noch Lebende sein Selbstbestimmungsrecht über den
Tod hinaus ausüben, also verbindlich festlegen kann, was mit seinem
Körper nach dem Tode geschehen soll. Der zu Lebzeiten geäußerte
Wille des Verstorbenen, sei es eine Organspendeerklärung oder ein
Widerspruch, ist deshalb stets zu respektieren. Einwilligung wie auch Widerspruch
können formlos schriftlich erklärt werden. Bewährt hat sich
für die Einwilligung ein sog. Organspenderausweis, es genügt
aber auch jede andere Form. Ungeeignet ist allerdings ein Testament, weil
es in aller Regel nicht unmittelbar beim Todesfall vorliegt, sondern erst
später gefunden wird und dann von einem Gericht eröffnet werden
müsste.
- Fehlt es an einer ausdrücklichen
Zustimmung des Verstorbenen, so können seine nächsten Angehörigen
für ihn in die Organentnahme einwilligen. Den Angehörigen steht
das Totensorgerecht zu, sie sind damit gewissermaßen Treuhänder
des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen, Sachwalter
seiner Interessen. Sie sollen daher nicht ihre eigene Einstellung zur Organspende
zum Ausdruck bringen, sondern dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen
zur Geltung verhelfen. Die Angehörigen haben also kein Einspruchsrecht
gegenüber einer vom verstorbenen Spender zu Lebzeiten erklärten
Zustimmung.
- Umstritten ist, ob und
unter welchen Umständen eine Organentnahme durch Notstand gerechtfertigt
sein kann. Der Notstand beruht auf dem Prinzip der Interessenabwägung:
zugunsten der Rettung des höherrangigen Rechtsguts darf in ein anderes
Rechtsgut eingegriffen werden, wenn kein anderes Mittel zur Abwendung der
Gefahr besteht. Die Interessenabwägung gilt bei Transplantationsfällen
als unproblematisch. Den Interessen des Organempfängers am Weiterleben
und erst recht am Überleben ist, bei allem Respekt vor dem fortwirkenden
Persönlichkeitsrecht des Toten, Vorrang einzuräumen. Bei einer
beabsichtigten Herz- oder Leberverpflanzung liegt jedenfalls meist auch
eine Notstandslage vor, denn in diesen Fällen besteht für den
Organempfänger fast immer eine akute und nicht anders abwendbare Lebensgefahr.
- Ungeklärt und streitig
ist aber vor allem, ob die Rechtfertigung durch Notstand auch dann eingreifen
kann, wenn ein Widerspruch des Verstorbenen oder seiner Angehörigen
vorliegt. Dies wird überwiegend verneint, nicht nur, weil damit die
Ausnahme, für die der Notstand gedacht ist, praktisch zur Regel würde,
sondern auch weil niemand unter Missachtung seines ausgeübten Selbstbestimmungsrechts
zu mitmenschlicher Solidarität gezwungen werden darf. Ist dagegen
eine Einwilligung der Angehörigen nicht zu erlangen, weil diese nicht
ermittelt oder trotz aller Bemühungen nicht erreicht werden können,
so ist nach verbreiteter Auffassung in der juristischen Literatur eine
Rechtfertigung durch Notstand zu bejahen.
Strafrechtliche Sanktionen
gegen eigenmächtige Organentnahmen sind nach überwiegender Auffassung
nicht möglich, da es derzeit kein entsprechendes Strafgesetz gibt.
Ob zivilrechtlich ein Anspruch auf Schadensersatz, insbesondere ein Schmerzensgeldanspruch
der Angehörigen besteht, ist umstritten. Festzuhalten bleibt, dass
Transplantationen trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung nicht in
einem rechtsfreien Raum stattfinden. Auch kommt die Praxis mit der Auslegung
des geltenden Rechts zurecht, zumal sie dem gewissermaßen kleinsten
gemeinsamen Nenner aller Auffassungen folgt und damit rechtlichen Schwierigkeiten
aus dem Weg geht.
Zentrale Fragen bleiben
allerdings bisher der Wertung und Abwägung der Rechtsanwendung überlassen,
wo sie überdies kontrovers diskutiert werden. Es wird daher vielfach
die Auffassung vertreten, auf Dauer sei der Gesetzgeber aufgerufen, aufgrund
seiner Legitimation eindeutige Wertentscheidungen zu treffen und verbindlich
festzulegen, unter welchen Voraussetzungen nach zuverlässiger Feststellung
des Todes Organe von Verstorbenen entnommen werden dürfen. Dabei erscheint
in Anlehnung an einige europäische Transplantationsgesetze auch eine
Regelung möglich, daß eine Organentnahme zulässig ist,
wenn die Angehörigen eines Verstorbenen, der sich nicht zur Organspende
geäußert hat, über die beabsichtigte Organentnahme informiert
werden und diesem Eingriff nicht widersprechen. Als regelungsbedürftig
angesehen wird auch die Frage, welche Rechtsfolgen an eine unzulässige
Entnahme geknüpft sind.
3.2.3 Ethische Beurteilung
Die Organentnahme von Verstorbenen
ist der Lebendspende eindeutig vorzuziehen, da hierbei niemand eine Beeinträchtigung
seiner Gesundheit oder gar eine Gefährdung seines Lebens auf sich
nehmen muss.
Die Pietät vor dem
menschlichen Leichnam und die Achtung vor den Gefühlen der Angehörigen
muss gewahrt bleiben. Der menschliche Leichnam war zu Lebzeiten Träger
der menschlichen Person. Deshalb verbietet sich seine respektlose Behandlung.
Das Recht auf Integrität
des Leichnams besitzt keine absolute Gültigkeit. Es kann zurücktreten
hinter der Solidarität mit einem schwerkranken oder gar vom Tod bedrohten
Mitmenschen.
Für die Transplantation
von Geweben und Organen eines Verstorbenen müssen folgende Bedingungen
erfüllt sein:
- Die Möglichkeit einer
Organentnahme darf die Bemühungen um das Leben des Spenders und seine
Behandlung nicht behindern oder einschränken.
- Der Tod des Spenders muss
vor der Explantation zweifelsfrei feststehen. - Die rechtliche Voraussetzung
der Explantation muss erfüllt sein.
- Der Eingriff muss die
Würde des Verstorbenen achten und darf die Empfindungen von Angehörigen
nicht leichtfertig verletzen.
- Die Organe müssen
nach sachlich und ethisch vertretbaren Regeln verteilt werden.
Eine sachgemäße
Explantation von Geweben und Organen verletzt weder die Würde des
Verstorbenen noch die Ruhe des Toten.
4. Leben und Tod im christlichen
Verständnis
Die Bibel preist Gott als
den Schöpfer und Erhalter des Lebens. Er setzt sowohl dem Kosmos wie
dem Leben aller Kreaturen Grenze und Maß. Der Mensch, der als einziges
Wesen sich seiner Endlichkeit bewusst ist, handelt klug, wenn er seines
kommenden Todes eingedenk bleibt und die ihm gegebene Zeit verantwortungsbewusst
nutzt.
Das Wissen um den eigenen
Tod stellt den Menschen vor die Frage, wie er sein Leben angesichts des
sicheren Todes versteht, welchen Sinn er seinem Leben und Sterben gibt.
Hier gibt es in unserer Gesellschaft unterschiedliche Einstellungen. Der
Tod kann verdrängt oder tabuisiert, als das natürliche Ende der
Lebenskurve des Menschen hingenommen, philosophisch überhöht
oder als die befreiende Trennung der unsterblichen Seele vom vergänglichen
Leib betrachtet werden. Diese verschiedenen "Todesbilder" stellen eine
Herausforderung an die christliche Sicht des Todes dar.
Wie alle Menschen haben
auch die Christen Angst vor dem Tod, der nach dem Zeugnis der Schrift der
letzte Feind ist (vgl. 1 Kor 15,26; Offb 20,14). Der Tod ist auch "Sold
der Sünde", Zeichen der Entfremdung von Gott, der Quelle und Fülle
des Lebens.
Doch der harten Wirklichkeit
des Todes setzt Gott die unzerstörbare Kraft seines Lebens entgegen.
Durch Jesu Tod und Auferstehung ist das Urteil über den Tod gefällt.
Es besagt, daß nicht der Tod, sondern das Leben das letzte Wort behält.
In der Nachfolge Jesu ist der Tod nicht mehr nur das Schicksal, das über
uns kommt. Er kann christlich als Ausdruck des Willens des göttlichen
Vaters verstanden und angenommen werden.
Für den christlichen
Glauben ist der Tod Ende der Pilgerschaft und Durchgang zum ewigen Leben.
Das ewige Leben ist zwar bereits in unserem irdischen Dasein gegenwärtig,
aber noch nicht in seiner ganzen unbedrohten Fülle. Wer glaubt, ist
bereits jetzt vom Tod zum Leben hinübergegangen (vgl. Joh 5,24; vgl.
auch Röm 6,13). Deshalb sind wir in diesem Leben nicht nur vom Tod
umfangen, sondern zugleich vom ewigen Leben Gottes erfüllt, und erst
dadurch können wir die Todesangst überwinden. Wenn wir den Tod
als Durchgang zum ewigen Leben bezeichnen, dann führt er nicht ins
Nichts hinein oder in eine häufige Wiederverkörperung der Seele
(Reinkarnation), sondern wir können aus der Offenbarung sein Ziel
angeben. Nach dem Abschiedsgebet Jesu heißt dieses Ziel: dort sein,
wo Jesus ist (vgl. Joh 17,24). Die himmlische Herrlichkeit, in die Jesus
uns durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt vorangegangen ist, wird auch
unsere endgültige Heimat sein, zu der wir geschaffen und berufen sind
(vgl. Joh 14,1-3).
Der Durchgang zum ewigen
Leben ist eine für uns noch unvorstellbare Begegnung mit dem liebenden
und richtenden Gott. Mit seiner ganzen Lebensgeschichte steht der Mensch
unverstellt vor Gott. Wie der Übergang aus diesem Leben in Gottes
Ewigkeit erfolgt, bleibt letztlich ein für uns nicht zu enthüllendes
Geheimnis. Die Sterbensforschung gibt uns zwar wichtige Einblicke in den
gesamtmenschlichen Prozess des Sterbens; doch der Zustand des Todes ist
davon zu unterscheiden. Die Toten gehören einer anderen Ordnung an
als die Lebenden.
Der christliche Glaube schenkt
uns die Gewissheit, dass es ein Leben nach dem Tod gibt und dass die Toten
auferstehen. Der Tod reißt den Menschen nicht von Gott weg, denn
Gott ist "kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn
sind alle lebendig" (Lk 20,38). Das hat Gott bestätigt im großen
Zeichen der Auferweckung Jesu von den Toten. Der Glaube an die Auferstehung
Jesu ist das sichere Fundament unseres Glaubens an die Auferstehung der
Toten (vgl. Röm 8,11; I Kor 15,12-22).
Leibliche Auferstehung bedeutet
neue, durch den Geist Gottes verwandelte und verklärte Leiblichkeit.
Diese zukünftige Wirklichkeit können wir uns nicht ausmalen.
Sie ist nicht als Fortsetzung unseres irdischen Leibes vorzustellen, sondern
bedeutet eine unaussprechliche Wirklichkeit, welche die irdische Leiblichkeit
in eine neue Dimension überführt. So tief auch die Verwandlung
reichen mag, es handelt sich nicht um einen totalen Bruch zwischen irdischem
Leben und himmlischer Vollendung in der Auferstehung der Toten, sondern
um die Verwandlung unseres jetzigen Lebens und um eine wesenhafte (nicht
stoffliche)
Identität auch des Leibes: "Denn dieses Vergängliche muss sich
mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit"
(1 Kor 15,53).
Vom christlichen Verständnis
des Todes und vom Glauben an die Auferstehung der Toten kann auch die Organspende
von Toten gewürdigt werden. Dass das irdische Leben eines Menschen
unumkehrbar zu Ende ist, wird mit der Feststellung des Hirntodes zweifelsfrei
erwiesen. Eine Rückkehr zum Leben ist dann auch durch ärztliche
Kunst nicht mehr möglich. Wenn die unaufhebbare Trennung vom irdischen
Leben eingetreten ist, können funktionsfähige Organe dem Leib
entnommen und anderen schwerkranken Menschen eingepflanzt werden, um deren
Leben zu retten und ihnen zur Gesundung oder Verbesserung der Lebensqualität
zu helfen. So verständlich es auch sein mag, dass mancherlei gefühlsmäßige
Vorbehalte gegen die Entnahme von Organen eines Hirntoten bestehen, so
wissen wir doch, dass bei unserem Tod mit unserem Leib auch unsere körperlichen
Organe alsbald zunichte werden. Nicht an der Unversehrtheit des Leichnams
hängt die Erwartung der Auferstehung der Toten und des ewigen Lebens,
sondern der Glaube vertraut darauf, dass der gnädige Gott aus dem
Tod zum Leben auferweckt. Die respektvolle Achtung vor Gottes Schöpferwirken
gebietet freilich, dass der Leichnam des Toten mit Pietät behandelt
und würdig bestattet wird. Die Ehrfurcht vor den Toten ist eine Urform
der Sittlichkeit. In allen Kulturen zeigt sich die Haltung zum Leben auch
in der Pietät vor den Toten. Die Beerdigungsliturgie weist darauf
hin: "Dein Leib war Gottes Tempel. Der Herr schenke dir ewige Freude."
So wird in Ehrfurcht Gott zurückgegeben, was er gegeben hatte, und
der Zuversicht Ausdruck verliehen, dass allein Gott die Quelle des Lebens
ist.
Zugleich kann in der Organspende
noch über den Tod hinaus etwas spürbar werden von der "größeren
Liebe" (Joh 15,13), zu der Jesus seine Jünger auffordert.
5. Die Sorge um die Angehörigen
toter Organspender
Grundsätzlich widerspricht
die Entnahme von Organen nicht der Ehrfurcht vor dem Toten; sie kann aber
die schmerzlichen Empfindungen von Angehörigen verstärken. Deshalb
darf das medizinische Interesse an den Organen des Verstorbenen keinesfalls
die Sorge um seine Hinterbliebenen verdrängen. Aus vielfachen Erfahrungen
und aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass plötzliche
Todesfälle Angehörige in Angst und Schrecken, in einen sogenannten
Schockzustand versetzen. Sie hören zwar die Mitteilung über den
Tod ihres Angehörigen, können sie aber zunächst nicht begreifen
und annehmen. Sich in dieser Situation mit der Bitte um Zustimmung zur
Organspende Auseinander zusetzen, fällt verständlicherweise schwer
und ist für manche Betroffene sogar unmöglich. Andererseits ist
der Zeitraum zwischen Tod und Organentnahme begrenzt. In dieser schwierigen
Situation findet in der Regel das Gespräch statt. Dafür braucht
der Arzt nicht nur Zeit; er muss vor allem bereit sein, sich rücksichtsvoll
in die Angehörigen und ihre besondere Lage einzufühlen. Nur so
kann er - wenn möglich und von den Angehörigen erwünscht
- zusammen mit dem Krankenhausseelsorger den Angehörigen helfen, eine
verantwortete Entscheidung zu treffen.
Allgemein gültige Regeln
für das Gespräch mit den Angehörigen kann es nicht geben,
wohl aber der jeweiligen Lage angepasste hilfreiche Hinweise.
- Das Vertrauensverhältnis
zwischen der Familie eines Verletzten oder eines plötzlich schwer
Erkrankten und dem behandelnden Arzt muss sich vom ersten Gespräch
an entwickeln können. Wenn möglich, sollen die Angehörigen
den Ernst der Verletzung oder Krankheit erfahren, sobald der Arzt den wahrscheinlich
tödlichen Ausgang befürchten muss. Schon dies stellt dem Arzt
die Aufgabe, takt- und liebevoll, aber doch ehrlich und offen Auskunft
zu geben.
- Die Hinterbliebenen haben
nach der Feststellung des Hirntodes ihres Verstorbenen einen Anspruch darauf,
sich zuerst damit Auseinander zusetzen. Sie brauchen Zeit und Raum, Hilfe
und Begleitung, um sich der Nachricht über den Tod und der aufkommenden
Trauer stellen zu können. Deshalb sollte eine mögliche Organentnahme
nicht übergangslos mit der Mitteilung des Todes angesprochen werden.
- Oft löst die Trauer
Schuldgefühle gegenüber dem Verstorbenen aus. Es kann den Hinterbliebenen
helfen, wenn der Arzt und - auf Wunsch - der Krankenhausseelsorger taktvoll
fragen, ob es wohl im Sinne des Verstorbenen wäre, seine Organe anderen
schwerkranken Menschen zu geben. Auf diese Weise werden die Angehörigen
sowohl bei einer Zustimmung als auch bei einer Ablehnung der Organspende
zum Sprachrohr des Verstorbenen; aber sie verfügen nicht über
den Toten. Die schwere und manchmal kaum zumutbare Last der Entscheidung
wird den Angehörigen abgenommen, wenn der Verstorbene sie selbst zu
Lebzeiten schriftlich (z. B. durch einen Organspenderausweis) oder auch
nur mündlich getroffen hat.
- Wenn Angehörige in
die Entnahme von Organen ihres Verstorbenen einwilligen, sollte dies auch
in besonderer~ Weise bei seiner Verabschiedung zum Ausdruck kommen. Die
Liturgie der Kirche empfiehlt das fürbittende Gebet für den Verstorbenen
und seine Angehörigen. Die Gebete sollten der jeweiligen Lage entsprechen:
Zunächst dürfen und sollen Hilflosigkeit und Ohnmacht der Anwesenden
ausgesprochen und Gott anvertraut werden. Gerade in der Stunde des Abschieds
kann die Hoffnung auf den Gott des Lebens, der allen Menschen die Auferstehung
zugesagt hat, erfahren werden. Manche Angehörige finden Trost in der
körperlichen Berührung des Verstorbenen beim Abschied. Sie sollten
deshalb ermutigt werden, ihren Toten z. B. mit dem Zeichen des Kreuzes
zu bezeichnen und dies mit einem Gebet zu begleiten.
- Angehörigen sollte
unabhängig von der Entscheidung für oder gegen die Organspende
die Möglichkeit zu einem weiteren Gespräch angeboten werden,
um ihnen zu helfen, vielleicht im nachhinein entstandene Zweifel über
die getroffene Entscheidung besser bewältigen zu können.
6. Folgerungen und Empfehlungen
Mit Dank und Respekt wissen
die Kirchen zu würdigen, welche neuen Wege medizinische Forschung
und ärztliche Heilkunst eröffnet haben. Menschen, die wegen unheilbarer
Erkrankung eines lebenswichtigen Organs bitterem Siechtum oder alsbaldigem
Sterben ausgesetzt sind, können Hilfe erfahren, wenn ihnen durch Transplantation
ein neues Organ eingesetzt werden kann. Manchen Menschen mag es schwer
fallen mitzuvollziehen, welch raschen Fortgang wissenschaftliche Erkenntnisse
und ihre praktische Anwendung nehmen. Dürfen wir alles in die Tat
umsetzen, was wir können? Die unantastbare Würde des Menschen
bestimmt die Grenzen, die unbedingt zu achten und einzuhalten sind. Im
Blick auf die Möglichkeiten, die die Transplantationschirurgie erschlossen
hat, kann die Einsicht weiterhelfen, dass sie dem recht verstandenen Wohl
des Menschen zu dienen vermag. Verantwortliches Mitdenken aller ist darum
erforderlich, damit ärztlichem Können gebührendes Vertrauen
und öffentliche Unterstützung entgegengebracht werden.
Wir wissen, dass unser Leben
Gottes Geschenk ist, das er uns anvertraut hat, um ihm die Ehre zu geben
und anderen Menschen zu helfen. Diese Bestimmung unseres Lebens gilt bis
zum Sterben, ja möglicherweise über den Tod hinaus. Denn irdisches
Leben schwerkranker Menschen kann gerettet werden, wenn einem soeben Verstorbenen
lebensfähige Organe entnommen werden dürfen, um sie zu transplantieren.
Wer darum für den Fall des eigenen Todes die Einwilligung zur Entnahme
von Organen gibt, handelt ethisch verantwortlich, denn dadurch kann anderen
Menschen geholfen werden, deren Leben aufs höchste belastet oder gefährdet
ist. Angehörige, die die Einwilligung zur Organtransplantation geben,
machen sich nicht eines Mangels an Pietät gegenüber dem Verstorbenen
schuldig. Sie handeln ethisch verantwortlich, weil sie ungeachtet des von
ihnen empfundenen Schmerzes im Sinne des Verstorbenen entscheiden, anderen
Menschen beizustehen und durch Organspende Leben zu retten.
In diesem Zusammenhang wird
deutlich, wie wichtig es ist, das allgemeine Bewusstsein für die Notwendigkeit
der Organspende zu vertiefen. Es warten viele Schwerkranke bzw. Behinderte
auf ein Organ, weit mehr als Organe für Transplantationen zur Verfügung
stehen. Die Ärzte und ihre Mitarbeiter, aber auch die christlichen
Gemeinden, sind aufgerufen, ihren Beitrag zur sachlichen Aufklärung
der Bevölkerung zu leisten, um mehr Möglichkeiten der Transplantation
zu verwirklichen. Aus christlicher Sicht ist die Bereitschaft zur Organspende
nach dem Tod ein Zeichen der Nächstenliebe und Solidarisierung mit
Kranken und Behinderten.
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe
Diese gemeinsame Erklärung
wurde vorbereitet durch eine von der Deutschen Bischofskonferenz und dem
Rat der EKD eingesetzte Arbeitsgruppe:
Prof. Dr. Heinz Angstwurm,
München (Neurologe) Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Eigler, Essen (Chirurg)
Dr. Michael Figura, Bonn
(Sekretär der Glaubenskommission der DBK) Prof. Dr. Ulrich Frei, Hannover
(Nephrologe)
Prof. Dr. Dr. Franz Furger,
Münster (Sozialethiker)
Prof. Dr. Dr. Werner Klinner,
München (Herzchirurg) Bischof Prof. Dr. Dr. Karl Lehmann, Mainz Landesbischof
i.R. Prof. Dr. Eduard Lohse, Göttingen Weihbischof Dr. Hubert Luthe,
Köln
Dr. Karl Panzer, Köln/Bonn
(Jurist)
Prof. Dr. Rudolf Pichlmayr,
Hannover (Chirurg) Klinikpfarrer Dr. Arthur Reiner, Heidelberg
Prof. Dr. Johannes Reiter,
Mainz (Moraltheologe)
Dipl. Theol. Gregor Spieß,
Bonn (Referent in der Zentralstelle Pastoral der DBK)
Dr. Gabriele Wolfslast,
Göttingen (Juristin)
Würzburg/Himmelspforten,
den 2. Juli 1990 |
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