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Die Reli-Rallye --Kreuz und Quer durchs Internet
 Kreuz und Quer durchs Internet
 

 
Muss man das glauben?

Was meinen wir, wenn wir "Gott" sagen?
Ist Jesus Gottes Sohn?
Die Himmelfahrt Jesu
Jesus, der Jungfrauensohn
Er ist für unsere Sünden gestorben - ?
 

Jesus - Gottes Sohn ?
von Günther Roth (Ev. Theologe)
 

"...Sohn Gottes? Jungfrauensohn? Abstieg ins Totenreich? Auferstehung? Himmelfahrt? alles fragwürdig. Da scheint nichts zu unserem Weltbild und zu unserem Wirklichkeitsverständnis zu passen. Wohlgemerkt, das ist keine Bankrotterklärung des christlichen Glaubens, sondern der notwendige Anstoß zu neuer christlicher Sprachfähigkeit, die kritischem Denken standhält.

In den ersten christlichen Jahrhunderten, in denen das Apostolische Glaubensbekenntnis seine endgültige Form fand, wusste man selbstverständlich noch nichts von der Hypothese eines Urknalls und von einem Weltall, das sich in ständiger Ausdehnung befindet, ohne Oben und Unten. Im allgemeinen Bewusstsein von Christen und Nichtchristen war Gott räumlich oben gedacht. Das Christusbekenntnis ist in dieses Weltbild hinein verwoben.
Heute gerät der Himmel oben mit dem Thron Gottes und dem Christus zur Rechten in Raumnot. Das Totenreich bzw. die Hölle unter der Erdscheibe ist als Raumangabe ein vergangenes Bild. Wer ist Jesus Christus für uns, wenn wir das vergangene Weltbild nicht festhalten können und wollen?

Systematische Theologie geht diesen Fragen nach. Es reicht ihr nicht festzustellen, was in der Vergangenheit Menschen gedacht und geglaubt haben. Wie sich heute derselbe Glaube in anderem Weltverständnis und mit anderem Bewusstsein aussprechen kann, darauf kommt's an. Aber nicht nur ein neues Weltbild wird auf die Folgen für den Glauben befragt. Auch die Vorstellungen des Glaubens gehen nicht unberührt aus dem Wandel hervor.

Unreflektiert z.B. von Jesus als dem Sohn Gottes zu reden, ist für den unmöglich geworden, der glaubwürdig sein will. Was meint eigentlich "Gott"? Was meint Gottes "Sohn"?


 

Was meinen wir, wenn wir "Gott" sagen?

Einen mächtigen Bewohner einer Überwelt, der irgendwo oben mit seinem Sohn thront, dem man es übel nimmt, dass er unten nicht dauernd nach dem Rechten sieht, zu unseren Gunsten vornehmlich? Diese räumliche Überwelt ist dahin.
Gott als ein besonders mächtiges Wesen unter anderen Wesen, der sich letztlich doch vor uns verantworten muss (Wenn Du so mächtig bist, warum verhinderst Du nicht Kriege und lässt zu, dass wir unseren Planeten zerstören?), ist ein kindisches Wunschbild, das uns nicht erwachsen und verantwortlich werden lässt.

Ich staune immer wieder, was in den Köpfen von Frauen und Männern mit Abitur zum Begriff "Gott" vorhanden ist: kaum mehr ernst genommene Kindervorstellungen, Ansätze von überaus unklarem Ersatz. Irgendeine Macht ist überall. Aber wer oder was? Meist herrscht Sprachlosigkeit. Dazu kommt die stereotype Klage: warum redet die Kirche nicht deutlicher? Immer so allgemeines frommes Gerede!
Manche ernsthaft Überzeugte meinen, sie müssten den Skeptikern im Seminar Gott als ihren Herren bekennen. Offensichtlich gibt es individuell tragfähige Gotteserfahrungen, die sich in traditionellen Bekenntnisformeln aussprechen können, aber sich zur großen Enttäuschung nicht von allein vermitteln lassen mit alltäglichem Denken.

Systematische Theologie versucht nicht, Gott modern zu beweisen. Den Gott, den man beweisen muss, den braucht man nicht. Sie fragt, welche Wirklichkeit in den überlieferten Vorstellungen zur Sprache kommt, und ob diese Wirklichkeit nicht auch uns betrifft: der Vater im Himmel, der Allmächtige, der Herr usw.
Damals und heute ist mit Gott und diesen Bildern aus unserer Erfahrungswelt (Vater, Herr usw.) das angesprochen, was als bestimmende Wirklichkeit in unserem Leben und in unserer Welt erfahrbar ist. Nicht in einer phantastischen Überwelt. Gott ist keine Bezeichnung für ein museales Hirngespinst, sondern die Bezeichnung für das, was bei uns konkret letztlich gilt, was unserem Leben Richtung gibt und im Blick auf uns und unsere Welt Hoffnung schafft. Luther: "woran du dein Herz hängst" (im Großen Katechismus).

Bohren wir einmal bei uns und anderen: was nimmst du wirklich ernst? Woraus und woraufhin lebst du? Dann ist die Gottesfrage im Spiel, die Frage nach dem Letztgültigen. Das muss nicht der christliche Gott sein, den wir ernst nehmen, auch nicht nach Konfirmation und 12 Jahren Religionsunterricht. Ein inhaltliches Kriterium dazu: Wissen wir, was Leben aus voraussetzungsloser Liebe ist, oder leben wir aus unserer frommen oder unfrommen Leistung?
Erst im Konkreten lohnt es sich, von Gott zu reden. Hier bricht der echte Streit um ihn aus, d.h. um das, was wirklich gilt, in unserem Alltag, nicht in einer frommen Hinterwelt. In unseren Ängsten und bei deren Bewältigung, in unseren Bergungs- und Hoffnungsräumen.

Regelmäßig taucht dann die Frage auf: dann ist Gott ja gar keine Person. Ist das Gebet dann nicht unmöglich geworden? Als ob die Rede von der Person Gottes eine übermenschliche Gestalt meine, vielleicht sogar mit Haaren und Fingernägeln. Sie meint: von Gültigem angesprochen werden, erfülltes Leben ermöglicht bekommen in der Liebe, zu Hoffenden werden über das Grab hinaus. Das geschieht etwa in der Begegnung mit der Wirklichkeit Jesus, die als personales Du erfahren wird. Wir erfahren Gott, das Gültige, im Symbol des Du. Reflektiert von Gott als Person reden, ist Symbolsprache, d.h. wir erfahren in vergänglichen Bildern aus unserer Erfahrungswelt tragende Wirklichkeit.
Dem nachzudenken ist eine lohnenswerte Aufgabe Systematischer Theologie. Es kann ungeheuer befreiend wirken für das persönliche Leben und für die Sprachfähigkeit des Glaubens.

Wenn Gott die Bezeichnung dafür ist, woran wir unser Herz hängen, ist noch nicht geklärt, ob wir es mit christlicher Gotteserfahrung zu tun haben. Man kann, wie die Erfahrung zeigt, sein Herz an die dümmste Rassentheorie hängen oder an den gefährlichsten Nationalismus. Der christliche Gott, der unser Herz ergreift, und der "oben", d.h. allem "überlegen" geglaubt wird, ist durch Jesus deutlich geworden. Ist er deshalb Gottes Sohn?


 

Ist Jesus Gottes Sohn?

Ich habe noch keine Studentengeneration erlebt, die nicht mit dieser Formulierung Schwierigkeiten hatte. Man traut den eigenen Vorstellungen nicht, die damit verbunden sind, und hat noch nicht weitergedacht, um wieder sprachfähig zu werden. Gott als unklare Größe in einer Überwelt soll einen Sohn haben, der irgendwie zu uns herab auf die Erde kam, mit z.T. göttlichen Genen absurd! Man fürchtet das Gelächter der anderen. Deshalb: Schweigen ist Gold.

Die Frage nach der Plausibilität signalisiert die Notwendigkeit, dass der Glaube erwachsen wird. Leider legen ihn manche mit den Kinderschuhen ab. Bei anderen hängen die Sprachschwierigkeiten damit zusammen, dass man in Sachen Glauben immer noch zu klein geratene Schuhe trägt, die naturgemäß drücken.

Aber hat nicht die Wissenschaft die Aufgabe, dem zurechtzuhelfen? Vielleicht gibt die Entwicklungsgeschichte der Lehre von der Bedeutung Jesu, die Christologie, Auskunft. Wir befragten die bedeutendsten Theologen der frühen Christenheit. Sie hatten keine Weltbild-Plausibilitätsprobleme. Sie waren auf der Höhe der damaligen Bildung und kannten den aus stoischen und platonischen Wurzeln stammenden Begriff des Logos recht gut. Es ist ein Begriff von höchster Bedeutung: der Logos ist die Weltvernunft, die den Kosmos zusammenhält oder er ist die schöpferische Potenz einer jenseitigen Gottheit.

Was lag näher, als diesen Begriff heranzuziehen, um den hellenistisch Gebildeten der damaligen Zeit deutlich zu machen, welche Bedeutung der gekreuzigte und auferstandene Jesus hat. Er ist der Logos. Christus, der Gottessohn, wird als Logos interpretiert, der zum Zwecke der Weltschöpfung in grenzenloser Liebe aus der göttlichen Vernunft heraustritt, als erstes der Geschöpfe, Gott untergeordnet, wenn auch ungetrennt von ihm. Sein Ziel ist es, uns, die Geschöpfe, substanzhaft Gott anzugleichen, zu vergeistigen und zu erlösen.

Der Logos-Sohn kann das, denn er ist Gott und Mensch zugleich, in zwei Naturen, aber in einer Person. Er besitzt eine göttliche und eine menschliche Substanz. Teilhabe an ihm ist auch Teilhabe an der göttlichen Substanz, z.B. im Sakrament des Heiligen Mahles. Sie führt uns zur Unsterblichkeit und Gottähnlichkeit...

Wer heute plausibel die Bedeutung Jesu für uns zu denken versucht, kann nicht mehr bei einer Überwelt beginnen und das Herabsteigen des Sohnes in unsere Welt als objektiven Vorgang dankbar bekennen. Christologie beginnt heute nicht "oben". Sie beginnt unten bei dem geschichtlichen Menschen Jesus und fragt nach seiner bleibenden Bedeutung bis heute.

Was also ist die Bedeutung des Satzes "Jesus ist Gottes Sohn"? Man hätte schon im Alten Testament lernen können, dass "Sohn Gottes" keine genealogische Abstammung meint, obwohl sich die religiöse Sprache der Umwelt vor Blutsverwandtschaft mit Göttern nicht scheute. In den Glaubensaussagen des Alten Testaments wird ein König bei seiner Thronbesteigung zum Sohn Gottes erwählt. Das ganze Volk ist "Sohn". Deshalb können gelegentlich auch herausgehobene einzelne Menschen als Söhne Gottes bezeichnet werden. Nie ist dabei Blutsverwandtschaft gemeint. Es ist Bildrede von der Nähe zu der Wirklichkeit, die Rettung und Zukunft gibt, also zu "Gott". "Sohn Gottes" meint die besondere Nähe zur letzten Wirklichkeit, die sich als Rettung aus Versklavung und als befreiende Liebe erweist. Die Begegnung mit dem Menschen Jesus und mit seiner unsentimentalen Liebe war und ist das, was befreit und die Herzen bezwingt, und trotz Mühsal und Tod die Welt wärmer und die Zukunft heller machen kann.

Die Gleichnisse Jesu sind voll davon. Sein Leben zeigte es unübersehbar gerade da, wo er sich damit in den Augen der Religionshüter selbst unmöglich machte, in seinem Verhalten zu Prostituierten und profitsüchtigen Zollpächtern. Diese neue Erfahrung schien mit seinem Tod erledigt. Seine Anhänger liefen davon. Aber plötzlich wurden aus Verzweifelten und Enttäuschten auf der Flucht Menschen, die ihren Kopf wagten, allen laut zu sagen: er lebt, Gott hat ihn auferweckt, mit anderen Worten, die Sache der Liebe Jesu ist stärker als der Tod. Der Tod ist nicht die letzte Wirklichkeit.

"Sohn Gottes" heißt also in anderen Worten: Hier ist der, der jetzt und künftig erfülltes Leben gibt und Hoffnung. Natürlich verlangen solche Interpretationen sorgfältige exegetische und historische Arbeit, vor allem, wenn es um methodisch so schwierige Fragen wie Auferstehung geht, wo bildhafte Rede das reale Aufbrechen der Todesstruktur unserer Welt signalisiert.
Als Ergebnis ist deutlich: "Sohn Gottes" ist kein leeres oder vergangenes Gerede. Aber vielleicht ist der Zugang zu dieser Erfahrung für viele leichter, wenn das Symbol durch andere Bilder, die Letztgültiges ansagen, ersetzt wird.

Marie Luise Kaschnitz z.B. verwendet in ihrem Gedicht "Auferstehung" das Bild von einem "Haus aus Licht". Sie sagt inhaltlich nichts anderes als das alte Bekenntnis zum Gottessohn:

 
"Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.

Nur das Gewohnte ist um uns.
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit weidenden Löwen
Und sanften Wölfen.

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.

Und dennoch leicht
Und dennoch unverwundbar
Geordnet in geheimnisvolle Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus aus Licht."

Auferstehung . Marie Luise Kaschnitz

 

"Glauben Sie fragte man mich
An ein Leben nach dem Tode
Und ich antwortete: ja
Aber dann wusste ich

Keine Auskunft zu geben 
Wie das aussehen sollte
Wie ich selber Aussehen sollte
Dort

Ich wusste nur eines
Keine Hierarchie
Von Heiligen auf goldnen Stühlen sitzend
Kein Niedersturz
Verdammter Seelen
Nur

Nur Liebe frei gewordne
Niemals aufgezehrte
Mich überflutend
...

Mehr also fragen die Frager
Erwarten Sie nicht nach dem Tode?

Und ich antworte
Weniger nicht."

Leben nach dem Tod. Marie Luise Kaschnitz

Das "Haus aus Licht" ist christliche Sohnes- bzw. Gotteserfahrung. Die Türen zu diesem Haus öffnen sich, wo die Liebe Jesu aufleuchtet und zur Lebensmacht wird.

Auch die radikale Zukunftshoffnung der Christen, die im Glauben teilhaben an der Kraft der Auferstehung ist in ihrem Gedicht "Ein Leben nach dem Tode" sprachfähiger als in manchem theologischen Lehrbuch. Ergebnis: Aussagen wie "Jesus ist Gottes Sohn" sind wörtlich, aber nicht buchstäblich zu verstehen. Sie sind Symbole oder Bildrede von realer, gründender und tragfähiger Erfahrung. Von Lebenswahrheit kann man eben nicht einfach definierend und konstatierend reden. Schon wer von der Liebe zu einem anderen Menschen redet, spricht von Lebenserfüllung, von Hoffnung und Wagnissen und nicht von Beweisen oder Definitionen. Hier sieht man nur mit dem Herzen richtig, dem allerdings ein denkender, manchmal auch zweifelnder Kopf nicht schadet. Je kritischer er denkt, desto leichter wird ihm der Zugang zu den alten Bekenntnissen: "Ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn ..." oder "Gott von Gott, Licht vom Licht...".

Wer einmal Zugang zu dieser Sprache gefunden hat, dem rutscht der Glaubensboden nicht unter den Füßen weg, wenn er zu denken anfängt. Im Gegenteil, er wird sprachfähig und neugierig, welche Lebenserfahrungen in den Bekenntnissen der vor uns Glaubenden aufgehoben sind. Diese Menschen waren auch nicht dümmer als wir. Nur lebten sie in anderen, für uns z.T. vergangenen Denkmöglichkeiten.

Zu dieser Neugier und zum Finden von Antworten versucht Systematische Theologie anzuleiten, z.B.:


 

Die Himmelfahrt Jesu

Sie ist für viele Zeitgenossen der Gipfel der Absurdität. Wohin ist er gefahren? Auf einer Wolke? Ein spottlustiger Zeitgenosse erkundigte sich bei mir nach der Geschwindigkeit, mit der Jesus in den Himmel gefahren sei. Er erklärte sich bereit, mir mit dieser Angabe auszurechnen, wo er sich jetzt gerade im Weltall befände. Natürlich, um mir klar zu machen, welcher Unsinn das sei.

Als ob die Wolke so eine Art fliegender Teppich aus kondensiertem Wasser gewesen wäre. "Wolke" ist ein uraltes Symbol, das Gott es verborgene Nähe und seine Mächtigkeit ausdrückt: Blitz, Donner und Regen.

Die Bildrede von der fröhlichen Überzeugung, dass der gekreuzigte und auferstandene Christus für alle Zeiten "oben" ist und herrscht, d.h. über den Tod hinaus die höchste - oder auch tiefste - Lebenswahrheit "verkörpert", ist eben keine Reportage über einen Halbgott, der auf einem Wolkenfahrstuhl in den Himmel gefahren ist. Selbst in einer Zeit, in der das allgemeine Denken mit einem himmlischen Ort "oben" rechnete, war das nicht der Sinn von "Himmelfahrt", sondern die Überzeugung, dass der für seine Liebe Leidende der Herr ist. Er ist jetzt "oben", d.h. allen Machthabern "überlegen". Das gilt auch dann, wenn die Ortsansage entfällt. Ob die Liebe Christi wirklich überlegen ist, d.h. sinnvoller ist als andere "Götter", wird sich im Leben und Sterben schon zeigen.

Oder das für jede Generation Heranwachsender scheinbar unausrottbare Problem, glauben zu sollen, Jesus sei der Sohn einer Jungfrau: "... geboren von der Jungfrau Maria"; "Und er wurde Fleisch durch den Heiligen Geist, aus Maria der Jungfrau, und ist Mensch geworden".

Mir sind christliche Zeitgenossen bekannt, die beim Sprechen des Glaubensbekenntnisses im Gottesdienst das Wort "Jungfrau" nicht sprechen, um vor sich selbst ehrlich bleiben zu können. Aber selbst heute noch pflegen katholische theologische Lehrstühle zu wackeln, wenn einer oder eine der Inhaber es wagen, hier nicht nur kritisch zu denken, sondern auch laut und verständlich zu reden,
Gewiss ist es allzu billig, die Rede von Jesus als dem Jungfrauensohn mit biologischen und historischen Argumenten lächerlich machen zu wollen. Das ist einfach dumm. Es entspringt der Unkenntnis, was solche Sprache bedeutet.

 

Jesus, der Jungfrauensohn

Aber ist es viel klüger, eine biologisch objektivierende Vorstellung unter Androhung von zeitlichen und ewigen Strafen zur Glaubensforderung zu erheben? Glaube als freie Überzeugung ist dann zum Fürwahrhalten von Bezweifelbarem verkommen.

Aber muss ein historisches Faktum nicht einfach anerkannt werden? War die Jungfrauengeburt jedoch ein objektives, historisches Faktum? Von einer derartigen "Tatsache" wusste Paulus in den fünfziger Jahren noch nichts. Der Evangelist Johannes distanzierte sich direkt und indirekt von der Jungfrauensohn-Christologie: alle Kinder Gottes sind aus Gott gezeugt und nicht aus Manneswillen (1,12 f.); Jesus ist der Sohn Josephs aus Nazareth (1,45). Oder wie hätte die Familie Jesu ihn für verrückt halten können und ihn zurückhalten wollen von seinem Auftreten, wenn seine Mutter und Josef von der Jungfrauengeburt gewusst hätten (Mk.3,21;3,31 ff.)?

Wer die Jungfrauensohnschaft objektiv biologisch versteht, muss - ob er will oder nicht- in Kauf nehmen, dass Jesus eben kein Mensch war, sondern ein Halbgott. Deshalb steht diese Deutung im Neuen Testament auch nur am Rande. Sie zu einer christlichen Glaubensprobe zu machen, ist sinnlos. Sie ist nicht einmal eine spezifisch christliche Deutungsmöglichkeit. Im hellenistischen Denkbereich, aber auch in anderen Religionen sind Jungfrauengeburt und Jungfrauensohn Würdeprädikate, mit denen man Halbgötter und schon nicht mehr objektiv biologisch gedacht- bedeutende Menschen ehrte. Plato und Alexander der Große u.a. wurden als Jungfrauensöhne verehrt, d.h. als ganz besonders Gott nahestehend, maßgebend. Ihre Eltern waren bekannt. "Jesus der Jungfrauensohn" meint keinen biologischen Sonderfall, um seine Göttlichkeit zu demonstrieren, sondern ist ein zeitgebundener Deutungsversuch, der damals für manche überzeugend klar machen konnte: er kommt von "oben", er ist nicht irgendwer. In ihm ist Gott unüberholbar am Werk. Das gilt auch noch heute, ohne das Fürwahrhalten eines biologischen Sonderfalles. Doch fragen wir weiter: Warum gilt das noch heute?


 

Er ist für unsere Sünden gestorben - ?

Das ist die traditionelle Antwort. Sie wird in der Kirche mit großer Selbstverständlichkeit wiederholt. Als ob dieser Satz völlig plausibel wäre. Warum ist der Tod Jesu etwa im Jahre 30 der Grund, dass heute wie früher überall Menschen aufatmen können und sagen: er ist für meine Sünden gestorben, ich bin frei? Ich habe noch nie eine Studentin oder einen Studenten getroffen, die verständlich sagen konnten, warum das so ist. Auch dann, wenn das Missverständnis ausgeräumt war, "Sünden" wären in erster Linie Verstöße etwa gegen die Verbote zu stehlen, zu morden, zu lügen oder sexuell fremd zu gehen. "Sünde" meint vorrangig den Zustand der Entfremdung, der Ferne vom echten Leben der Liebe und von letzter Wirklichkeit und beschreibt deshalb als Schuld und Verhängnis ein Leben in ungetrösteten Ängsten oder in vorübergehenden Freuden, die man wie einen Raub festhalten möchte. Wieso erlöst uns der Tod Jesu von diesem Leben?

Im Neuen Testament wird sein Tod als Sühnopfer oder als Bundesschlussopfer, auch als Opfer analog dem Schlachten des Passahlammes verstanden. In einer Zeit, in der man selbstverständlich von der Wirklichkeit kultischer Stellvertretung durch Opfer überzeugt war, war das plausibel. Aber wir können kaum mehr individuelle Entfremdung und moralische Schuld dadurch bereinigt begreifen, dass man einem lebenden Bock alles Verschulden des Volkes auflegt und ihn dann zum Sühnetod in die Wüste jagt (3. Mose 16,21 f.) oder indem man einer Kuh das Genick bricht, um durch Mord oder Todschlag vergossenes unschuldiges Blut zu sühnen, wenn man den Täter nicht zu fassen bekommt (5. Mose 21). Der Tod eines unschuldigen Menschen als Sühne macht uns die Opfervorstellung eher noch uneinsichtiger. Ist das nicht bodenlos grausam? Wie kann der Tod eines anderen die eigene Schuld tilgen?

Auch die Deutungsversuche des Todes Jesu aus dem Vorstellungsbereich des Besitz- oder Strafrechts leiden unter Plausibilitätsschwierigkeiten. Straferlass, Lösegeld, Freikauf sind im Zusammenhang mit der Befreiung von Sklaven u.ä. verständlich. Aber warum kauft uns der Tod Jesu frei oder warum wird uns eine Strafe dadurch erlassen?
Das Nachdenken darüber hat schon in den ersten christlichen Jahrhunderten zu Unerträglichkeiten geführt: Wem wird das Blut Jesu als Lösegeld bezahlt? Dem Teufel? Er hat ja ein Anrecht auf Sünder. Dann ist Erlösung ein mythischer Vorgang, der uns unsere Verantwortung raubt. Wird das Blut als Lösegeld Gott, dem Vater bezahlt? Dann ist Gott eine fürchterliche Größe. Er kann nur vergeben und lieben, wenn vorher der einzige Unschuldige die Rechnung mit seinem Blute begleicht.

Diese Vorstellungen sind nur überzeugend, wenn sie als selbstverständliche Denkmöglichkeiten unbesehen plausibel erscheinen. Jede Zeit kann aber das befreiende Neue, das Jesus brachte, wenn es nicht museal werden soll, nur in den eigenen Denkmöglichkeiten aussprechen.

Systematische Theologie wäre schon allein deshalb zu Neuformulierungen gezwungen.

Aber die Gleichnisse Jesu selbst sprechen eine andere Sprache, z.B. das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk. 15,11 ff.) oder von den Arbeitern im Weinberg (Mt.20,1 ff.). Sie reden von Liebe und Güte als von der Wirklichkeit der Gottesherrschaft bei uns, und dies ausdrücklich im Gegensatz zu Berechnung und Leistung. Jesus selbst und auch andere Deutungsversuche des Neuen Testaments ermöglichen verständlichere Deutungszugänge.

Paulus z.B. ,dem von Kind an Opferkult und juristische Vorstellungen plausibel waren, kann darüber hinaus für uns einsichtiger deuten: "Gott versöhnte in Christus die Welt mit sich selbst" (2.Kr.5,19). Da ist keine Rechnung mehr zu begleichen zwischen dem richtenden und rechnenden Vater und dem unschuldigen Sohn, sondern Leben und Sterben Jesu werden im ganzen als ein göttlicher Versöhnungsvorgang verstanden. Auch wo Paulus von sich persönlich redet (Phil.3), bezeichnet er alles, worauf er früher so stolz war, als Dreck gegenüber dem Neuen: "zu erkennen ihn und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden, indem ich seinem Tode gleichgestaltet werde" (3,10).

Paulus war nicht martyriumsüchtig. Wenn er Gemeinschaft mit den Leiden Jesu und Gleichgestaltung mit seinem Tod suchte, wollte er den Leiden der Liebe gleichgestaltet werden. Ohne die Liebe -meinte er- wäre er nichts, auch wenn er alle Geheimnisse wüßte und die tiefste Erkenntnis besäße. Ein Nichts wäre er, wenn er ohne die Liebe seinen Leib brennen ließe (l.Kor.l3). Die Liebe dagegen hört nimmer auf, auch nicht im Tod.

Also ist Jesus für unsere Sünden gestorben? - Gewiss

Sein Leben und sein Sterben und seine Auferstehung eröffnen uns ohne Kult und Berechnung eine an ihm selbst bewährte neue Wirklichkeit. Sie ist todüberwindend und lebenserfüllend. Er nannte sie Liebe und schloss aus ihr selbst Feinde nicht aus. In diesem Sinne ist der Kreuzestod Jesu ein Liebessymbol. Es eröffnet Freiheit, Bergungsräume und Anstöße zum Handeln, ohne uns zu Menschen zu degradieren, die keine Verantwortung haben.

aus: religio 1/1989

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