Wunder Jesu  - Stellungnahmen, Erklärungen, Deutungen
Welches Jesusbild wird durch die Wundergeschichten der Bibel erzeugt?
Wie können wir heute damit umgehen?

Theologen nehmen Stellung: Bultmann, Küng, Drewermann
 

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R. Bultmann

Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben . . .

Nun gibt es manche Christen, die meinen, dass eine solche Anschauung im Gegensatz zu dem christlichen Glauben stehe, und die denjenigen, die so denken, den Glauben absprechen. Und wieder gibt es andere, die den Widerspruch drückend empfinden, der zwischen ihren wissenschaftlichen Überzeugungen und den Anschauungen, die sie in ihrem täglichen Leben leiten, auf der einen Seite und den neutestamentlichen Wundergeschichten auf der anderen Seite besteht; die wohl am christlichen Glauben festhalten möchten, die aber meinen: als Christ sei man verpflichtet, solche Geschichten für wahr zu halten, - und da sie das nicht können, geraten sie in Zweifel, ob sie sich noch Christen nennen dürfen.
Was sollen wir dazu sagen? Nun, zuerst müssen wir sagen: Das bedeutet in der Tat nicht christlicher Glaube, dass man die Wundergeschichten des Neuen Testamentes für wahr hält.
 Christlicher Glaube bedeutet der Glaube an die in Christus uns erschienene Gnade Gottes. Das eigentliche Werk Christi besteht aber, wie schon Luther gesagt hat, darin, dass er das Gesetz und den Tod überwunden hat. Und deshalb heißt christlicher Glaube: an ihn als den Befreier von Gesetz und Tod glauben; es heißt aber nicht, die Wundergeschichten des Neuen Testaments für wahr halten . . .

Aber wenn wir nun deutlich gesagt haben, dass christlicher Glaube nicht darin besteht, die Wundergeschichten des Neuen Testaments für wahr zuhalten, so müssen wir nun ebenso deutlich sagen: christlicher Glaube ist Wunderglaube, ist Glaube an das wunderbare Handeln Gottes, ist die Bereitschaft, Gottes Wunder in unseren Leben zu erfahren. . . ."

Bultmann: Entmythologisierung
 




 
H. Küng

"Weder Jesu Wort noch seine Tat aber sind zu trennen von seiner Person. Wie es die so drastischen und in ihrem Sinn letztlich doch symbolhaften Wundererzählungen des Johannesevangeliums, die wohl aus einer eigenen Quelle stammen, deutlich machen: die Brotvermehrung ist Zeichen für Jesus als das Brot des Lebens, die Blindenheilung Zeichen für Jesus als das ' Licht der Welt', die Totenerweckung Zeichen für Jesus als die Auferstehung und das Leben. Er selber, der das Reich Gottes in Wort und Tat ankündigt, ist im Grunde selber das einzige Zeichen des kommenden Gottesreiches, das den Menschen gegeben wird. Ob mit dem Fortschritt der Wissenschaft das, was damals als Wunder empfunden wurde, eine wissenschaftliche Erklärung gefunden hat oder noch finden wird; ist eine ganz und  gar zweitrangige Frage, die den Glauben nicht zu beunruhigen braucht. Jesus selber bleibt das Zeichen, das in Wort und Tat die Zukunft ankündet und den Glauben begründet. Nicht der Glaube an Wunder, sondern der Glaube an Jesus und an den, den er geoffenbart hat, ist gefordert. In diesem Sinne kann der Glaubende, wie wiederum das Johannesevangelium deutlich macht auf Wunder überhaupt verzichten: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Also: Die Botschaft vom Reich Gottes zielt auf den Menschen in allen seinen Dimensionen, nicht nur auf die Seele des Menschen, sondern auf den ganzen Menschen in seiner geistigen und leiblichen Existenz in seiner ganzen konkreten leidvollen Welt. Und sie gilt allen Menschen: nicht nur den Starken, jungen, Gesunden, Tüchtigen, die die Welt so gerne verherrlicht, sondern auch den Schwachen, Kranken, Alten, Untüchtigen, die die Welt so gerne vergisst, übersieht, vernachlässigt. Jesus hat nicht nur geredet, sondern auch eingegriffen in den Bereich von Krankheit und  Ungerechtigkeit. Er hat nicht nur die Vollmacht des Predigens; sondern auch das Charisma des Heilens. Er ist nicht Verkünder und Ratgeber. Er ist zugleich Heilender und Helfender."
 
 




 
 
E. Drewermann

"Viele Wunderberichte im Neuen Testament lassen von vornherein daran zweifeln, dass sie im historischen Sinn authentisch sind. Die Zweifel beruhen darauf, dass die Berichte zumeist ein formalisiertes, auch in anderen Religionen übliches Schema verwenden, das zunächst die Hilflosigkeit der Menschen dramatisiert, um dann desto großartiger die Wundertaten des Gottesmannes erscheinen zu lassen.

Wunder der Art, wie sie Jesus vollbracht haben soll, wurden auch über die Hauptfiguren anderer Religionen berichtet. Lange vor Jesus hat Dionysos - der griechische Gott des Weins und der Ekstase Wasser in Wein verwandelt, lange vor Jesus ist Buddha über Wasser gegangen. Lange vor Jesus hat Asklepios, der griechische Gott der Heilkunst, Krankheiten aller Art geheilt.
Und es gibt zudem die jüdischen Parallelen. Die zweimalige Brotvermehrung Jesu steht nur deshalb im Neuen Testament, weil über Moses im Alten Testament ähnliches berichtet wurde.
...
Es sind Bilder, die symbolisch zeigen sollen, welche Kraft Jesus gehabt hat, Menschen zu sich selbst zu führen...
Ich bin sicher, dass die Person Jesu faszinierend auf Menschen gewirkt hat, so dass er subjektiv als befreiend, als ermutigend, als Ängste beseitigend und auch als heilend erlebt wurde. Unter suggestivem Einfluss sind Spontanheilungen möglich, weil psychische Leiden physisch krankmachen können. Darüber gibt es heute unter Medizinern keinen Streit. Vor zweitausend Jahren hat man von solchen Zusammenhängen nichts gewusst und solche Heilungen für Wunder gehalten...

Alle Wundererzählungen über Jesus sind, sieht man von den Heilungsberichten ab, symbolischer Natur, obwohl sie von den Evangelisten so verfasst wurden, dass sie als historische Berichte verstanden werden konnten."
 
 


 
 
 
 
 

 

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