Texte:  Jesus und das Reich Gottes
Im Zentrum der Botschaft Jesu steht  die «Gottesherrschaft», das «Reich Gottes», welches unmittelbar bevorstehe.
Gott wird eine neue Welt schaffen. Das endgültige Reich Gottes ist jener Zustand, in dem das Böse endet und das Gute, das bis zu diesem Punkt immer weiter gewachsen ist, vollkommen ist. Diese Hoffnung erfüllt vor allem die Benachteiligten, Hungrigen, Sünder, Barmherzigen, Friedensstifter und Kranke. 
Es fängt klein und unscheinbar an und wird sich über alle unsere Vorstellungen hinaus entfalten und vollenden. 

Texte: Hans Küng: Was bedeutet »Reich Gottes«?  J. Zink: Was heißt "Reich Gottes"


 

EKD - Glaubens-ABC

Reich Gottes
Die Rede vom Reich Gottes beschreibt die Vorstellung im Volk Israel, dass eine Zeit bevorsteht, in der "Gott König ist" (Richter 8,23), in der es eine Herrschaft von Menschen über Menschen nicht mehr gibt. 
Der Blick weitet sich über Israel hinaus auf die Völkerwelt, die einen König erwartet, der Frieden und Gerechtigkeit bringt, einen von Gott gesalbten Messias. 

Das Neue Testament nimmt diese Aussagen auf: "Das Reich Gottes ist mitten unter euch" (Lukas 17,21). Was geschieht in diesem Reich? Folgende Szene gibt darüber Aufschluss: Johannes der Täufer schickt Jünger zu Jesus mit der Frage: "Bist du der von Gott gesandte König, der Messias, mit dem das Reich Gottes beginnt?" (Matthäus 11,2f.) Jesus beantwortet diese Frage nicht. Er verweist auf das, was geschieht. "Blinde sehen, Lahme gehen, Kranke werden auf den Weg der Heilung gebracht." (Matthäus 11,5)

Zeichen des Anbruchs der Herrschaft Gottes sind dort wahrzunehmen, wo Menschen heil werden. Das Reich Gottes ist schon jetzt angebrochen, aber der Gebetsruf des Vaterunser - "dein Reich komme" - weist daraufhin, dass es noch nicht vollendet ist. 
 




 
Hans Küng
Was bedeutet »Reich Gottes«?

Ein Reich, wo nach Jesu Gebet Gottes Name wirklich geheiligt wird, sein Wille auch auf Erden geschieht, die Menschen von allem die Fülle haben werden, alle Schuld vergeben und alles Böse überwunden sein wird.

Ein Reich, wo nach Jesu Verheißungen endlich die Armen, die Hungernden, Weinenden, Getretenen zum Zuge kommen werden: wo Schmerz, Leid und Tod ein Ende haben werden. Ein Reich nicht beschreibbar, aber in Bildern ankündbar: als der neue Bund, die aufgegangene Saat, die reife Ernte, das große Gastmahl, das königliche Fest.

Ein Reich also - ganz nach den prophetischen Verheißungen - der vollen Gerechtigkeit, der unüberbietbaren Freiheit, der ungebrochenen Liebe, der universalen Versöhnung, des ewigen Friedens. In diesem Sinne also die Zeit des Heiles, der Erfüllung, der Vollendung, der Gegenwart Gottes: die absolute Zukunft.

Gott gehört diese Zukunft. Der prophetische Verheißungsglaube ist von Jesus entscheidend konkretisiert und intensiviert worden. Die Sache Gottes wird sich in der Welt durchsetzen! Von dieser Hoffnung ist die Reich-Gottes-Botschaft getragen. Im Gegensatz zur Resignation, für die Gott im Jenseits bleibt und der Lauf der Weltgeschichte unabänderlich ist. Nicht aus dem Ressentiment, das aus der Not und Verzweiflung der Gegenwart das Bild einer völlig anderen Welt in eine rosige Zukunft hineinprojiziert, stammt diese Hoffnung. Sondern aus der Gewissheit, dass Gott bereits der Schöpfer und der verborgene Herr dieser widersprüchlichen Welt ist und dass er in der Zukunft sein Wort einlösen wird. 




 
 
 Jörg Zink (geb. 1922)
 Evangelischer Theologe, Publizist

Was heißt »Reich Gottes«?
Wir sind gewöhnt, vom »Reich Gottes« zu reden. Normalerweise scheiden sich die Geister daran, dass die einen sagen: Das Reich Gottes kommt, wenn diese Welt untergegangen ist. Es ist rein zukünftig. Es löst diese Welt nach dem Ende ihrer Geschichte ab. 
Die anderen sagen: Das Reich Gottes ist ein Ausdruck für eine friedliche und gerechte Menschenwelt, die wir heute und morgen, jedenfalls aber im Zusammenhang der Menschengeschichte auf dieser Erde verwirklichen sollen. Die einen verlieren dabei die soziale und politische Dimension, die anderen verlieren das Drüben und das Künftige.

Es scheint mir kein Zufall zu sein, dass in den Reden Jesu die Gegenwart und die Zukunft immer wieder ununterscheidbar ineinander fließen so, wie auch das Hier und das Drüben kaum zu trennen oder auch nur zu unterscheiden sind.

Das Reich Gottes mag man als eine Art »Gewebe« schildern, das die gröbere Struktur der Dinge dieser Welt durchzieht, eine geistige Feinstruktur, in der viel Nichtgeahntes geschehen kann, viel Unerwartetes begegnen, viel Undenkbares Wirklichkeit werden. So erwarten wir, wenn wir »Reich Gottes« sagen, beim einfachsten Ding, das wir in die Hand nehmen, dass es dem Auge eines behutsamen Menschen durchlässig werden kann für eine feinere, eine geistigere, jedenfalls andere Art von Wirklichkeit.
Wir erwarten, wenn wir Reich Gottes sagen, dass an den sozialen und politischen Verhältnissen in dieser Welt durchaus einiges sich ändern kann, wenn ein Mensch sich in den Dienst dieses Reiches stellt. Dass es durchaus sichtbar werden kann, wirksam und handgreiflich. Dass sich das Bild ändert, das wir uns vom anderen Menschen machen, von anderen Völkern, und etwas hin und her geht an Güte und Zutrauen, dass die Taschen aufgehen und auch das Brot von einem zum anderen geht, von dem die leiblich Hungrigen auf dieser Erde leben sollen.

Wir erwarten, wenn wir Reich Gottes sagen, aber auch, dass das Ende der Menschengeschichte nicht das Ende der von Gott geschaffenen Welt ist, sondern sich Gottes Zeit, Gottes Geschichte, Gottes Welt fortsetzt. 

Wir stehen in einer grundsätzlich offenen Welt. In einer Welt, die offen ist für das Geheimnis des göttlichen Wirkens in ihr. In einer Welt, die offen ist zu anderen Menschen hin und zu ihrem Schicksal. Eine Welt vor allem auch, in der nichts so zu bleiben braucht, wie es ist, in der wir Christen uns mit Lüge und Gewalt, Terror und Ausbeutung nicht abzufinden brauchen. Und wir stehen in einer Welt, die nach ihrer Zukunft hin offen ist, deren Ende nicht ein Abgrund des Untergangs, sondern neue Schöpfung ist.
 

Jörg Zink, Eine Handvoll Hoffnung, Kreuz Verlag, Stuttgart 1979, 89-90
 


 
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