Gleichnisse Jesu - Übersicht
 
Gleichnisse sind ein zentraler Bestandteil ("Urgestein") der Verkündigung Jesu, in denen alltägliche Erfahrungen der Menschen aufgegriffen und das Reich Gottes (die Gottesherrschaft) bildhaft verdeutlicht wird. Über das Gottesreich zu sprechen ist oft nur in gleichnishafter Rede möglich. Jesus bedient sich dabei unterschiedlicher Gleichformen, die in der Regel nur einen Vergleichpunkt haben (Bildhälfte - Sachhälfte)

Hintergrund für die Reich-Gottes-Gleichnisse sind Gegebenheiten, die den Menschen der damaligen Zeit besonders vertraut sind. Weil das Reich Gottes im Kommen ist, wirkt es schon in das gegenwärtige Leben hinein.


Unterschiedliche Gleichnisformen: Gleichnis  - Parabel - Beispielgeschichte - Allegorie

Das Gleichnis (im engeren Sinn) gebraucht ein Bild, das auf eine alltägliche, jedermann bekannte Sache hinweist; z.B. den Hirten, der sein davongelaufenes Schaf sucht (Lk 15,4 ff.) oder das Senfkorn (Mt 13, 31-32), das zum großen Baum heranwächst.

Die Parabel ist eine frei erfundene Geschichte, die nicht alltäglich ist, aber irgendwann einmal so geschehen sein könnte; z.B. von den Arbeitern im Weinberg (Mt. 20, 1-16) oder: "Ein Mensch hatte zwei Söhne..." /Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11 ff.). Die Parabel konzentriert sich meist auf den wesentlichen Punkt, den Vergleichpunkt.

Die Beispielgeschichte ist ein Musterfall, ein „Beispiel", das die Hörer nachahmen sollen; z.B. die „Geschichte vom barmherzigen Samariter" (Lk 10,29ff.): "So geh hin und tu desgleichen!"

Die Allegorie erzählt eine Geschichte, bei der die einzelnen Personen und Umstände immer einen anderen Sinn im Auge haben. Eine solche Geschichte wird Zug um Zug ausgelegt. Die allegorische Auslegung gilt aber als überholt, da man heute davon ausgeht, dass die Zuhörer Jesu einfache Leute waren, welche die Bedeutung der Gleichnisse unmittelbar erfassen sollten.


 
Gleichnis 
Matthäus
Markus
Lukas
Arbeiter im Weinberg
20, 1-16
   
Barmherziger Samariter    
10, 30-37
Bittender Freund    
11, 5-8
Ehrenplätze bei der Hochzeit    
14, 7-14
Feigenbaum als Sommerbote
24, 32-33
13, 28-29
21, 29-32
Feigenbaum ohne Früchte    
13, 6-9
Fischnetz
13, 47-48
   
Gläubiger und die zwei Schuldner    
7, 41-43
Großes Abendmahl    
14, 16-24
Haus auf Felsen und auf Sand gebaut
7, 24-27
 
6, 47-49
Herr und Knecht    
17, 7-10
Königliche Hochzeit
22, 2-14
   
Kluge und törichte Jungfrauen
25, 1-13
   
Kostbare Perle
13, 45-46
   
Licht unter dem Scheffel
5, 14-15
4, 21-22
8, 16; 11, 33
Neuer Flicken auf altem Kleid
9, 16
2, 21
5, 36
Neuer Wein in alten Schläuchen
9, 17
2, 22
5, 37-38
Pharisäer und der Zöllner    
18, 10-14
Reicher Kornbauer    
12, 16-21
Reicher Mann und Lazarus    
16, 19-31
Sauerteig
13, 33
 
13, 20-21
Schalksknecht
18, 23-34
   
Schatz im Acker
13, 44
   
Senfkorn
13, 31-32
4, 30-32
13, 18-19
Talente (Mt.), Pfunde (Lk.)
25, 14-30
 
19, 12-27
Treuer Haushalter    
12, 42-48
Treulose Weingärtner
21, 33-41
12, 1-9
20, 9-16
Turmbau und Kriegführen    
14, 28-33
Ungerechter Haushalter    
16, 1-8
Unkraut unter dem Weizen
13, 24-30
   
Verlorener Groschen    
15, 8-10
Verlorener Sohn    
15, 11-32
Verlorenes Schaf
18, 12-13
 
15, 4-6
Vierfaches Ackerfeld
13, 3-8
4, 3-8
8, 5-8
Wachsame Knechte    
12, 16-21
Wachsen der Saat  
4, 26-29
 
Weltgericht
25, 31-36
   
Witwe und der ungerechte Richter    
18, 2-5
Zwei ungleiche Söhne
21, 28-31
   


 


 
 

 
Gottesherrschaft als zentraler Begriff der Verkündigung Jesu
(P. Müller, Jesus und kein Ende; in Schöneberger Hefte, 1/98)

Der zentrale Begriff bei der Verkündigung Jesu ist "die Gottesherrschaft". Das geht durchgängig aus der gesamten synoptischen Tradition hervor. 
Was Jesus über Gegenwart und Zukunft sagt, seine Vorstellungen zu Lebensgestaltung und konkretem Verhalten, die Bilder, die er vor Augen stellt, die Geschichten, die er erzählt - alles dies hat einen gemeinsamen Bezugspunkt in der Herrschaft Gottes.

Besonders deutlich wird dies an den Gleichnissen, die in der Regel - und mit Recht - als authentische Jesusüberlieferung verstanden werden. Zwar gehören Gleichnisse in jüdische Tradition hinein, sie weisen aber im Rahmen dieser Tradition dennoch eine besondere Prägung auf. 

So findet sich beispielsweise der Vergleich Israels mit einem Weinberg bereits in Jes 5,1-7. Im Gleichnis von den bösen Winzern (Mk 12,1-12). wird dieser Vergleich aufgenommen, aber zugleich eigenständig interpretiert. Sowohl in literarischer als auch in inhaltlicher Hinsicht zeigen die Gleichnisse Jesu eindeutige Merkmale der Eigenständigkeit. Was Joachim Jeremias vor Jahrzehnten formulierte (die Gleichnisse sind "Urgestein der Überlieferung" von Jesus), hat deshalb nach wie vor Gültigkeit...

In den Bildern und Geschichten, die Jesus vorstellt, werden Alltagserfahrungen aufgegriffen und gewissermaßen transparent gemacht. Die Erfahrungen weisen über sich selbst hinaus, werden zum Bild, zum Gleichnis für Gott und seine Herrschaft. Dabei kommt es zu sehr charakteristischen und zum Teil sehr unkonventionellen Akzentsetzungen: Vom Senfkorn wird nicht nur im Sinne sprichwörtlicher Kleinheit erzählt, sondern in einem Vorgang erstaunlichen Wachstums, der gerade deshalb zum Bild für die Gottesherrschaft werden kann; von einem Vater wird erzählt, der seinem "verlorenen Sohn" die Liebe ohne Bedingungen bewahrt; von einem Weinbergsbesitzer, der seine Arbeiter nicht nach ihrer Leistung entlohnt, sondern nach dem, was sie brauchen. 

Das heißt: Die Erfahrung alltäglichen Erlebens wird zum Anknüpfungspunkt für Jesu Verkündigung von der Gottesherrschaft; aber zugleich wird die Kenntnis des Üblichen aufgebrochen und damit geöffnet für eine Ahnung von der Gottesherrschaft, die menschliche Erfahrung übersteigt.

Insgesamt ist die Verkündigung Jesu von der Erwartung bestimmt, dass Gottes Wille und Herrschaft sich in der Welt bald durchsetzen werden. Diese eschatologische Erwartung der Verkündigung Jesu ganz abzusprechen, ist mit den Quellen nur in Einklang zu bringen, wenn man alle Zukunftsaussagen als sekundär ausscheidet.
Dazu aber besteht überhaupt kein Anlass. Eine andere Frage ist freilich, wie Zukunft und Gegenwart in der Verkündigung Jesu zusammenhängen. 

Ein ganz aufschlussreicher Text ist in diesem Zusammenhang das Vater Unser (Mt 6,9-13). Hier werden Bitten, die sich auf die Zukunft beziehen (vor allem die beiden sogenannten "Du-Bitten": Dein Name werde geheiligt, dein Reich komme), mit Bitten verbunden, deren Horizont die Gegenwart ist (die "Wir-Bitten": Unser tägliches Brot gib uns heute, vergib uns unsere Schuld, führe uns nicht in Versuchung). Diese Verbindung der Bitten weist auf eine Grundstruktur der Verkündigung Jesu hin: Weil die Gottesherrschaft im Kommen ist, wirkt sie schon in das gegenwärtige Leben hinein. Die Gegenwart wird schon unter den Willen Gottes gerückt, der sich in der Zukunft endgültig Bahn brechen wird (so wie die Senfpflanze im Samen schon da ist, wenn auch noch nicht ausgewachsen, oder so, dass den Armen, den Hungernden, den Weinenden in den Seligpreisungen Lk 6,20f jetzt schon die Wandlung ihrer Situation zugesagt wird).

Aus diesem Grund hängen in der Verkündigung Jesu auch die Zukunftserwartung und die Ethik eng zusammen. Der sich Bahn brechende Wille Gottes ist nach dem Verständnis Jesu der Wille zum Heil, und zwar für Israel, darüber hinaus aber auch für die anderen Menschen (vgl. Mt 8,10f). 

Das Verhalten der Menschen untereinander soll sich deshalb schon in der Gegenwart an diesem Willen Gottes orientieren. Dies bringt mit sich, dass bestimmte, herkömmliche Heilsvorstellungen (z. B. das Heil ausschließlich für Israel oder die Frommen) in Frage gestellt werden. Die Trennung in Gute und Böse kann - mit den Augen Gottes betrachtet - anders aussehen, als Menschen sich das gerne vorstellen. Vor diesem Hintergrund gehört zur Verkündigung Jesu auch die Vorstellung vom Gericht (vgl. Mt 18,23ff). Wer den Willen Gottes nicht tut (Mt 7,21), verschließt sich selbst den Zugang zur Gottesherrschaft. Und umgekehrt setzt die Erwartung der Gottesherrschaft eine ethische Energie frei, die sich im konkreten Verhalten schon auf die Gottesherrschaft hin ausstreckt.

Im Verhalten Jesu wird diese ethische Energie konkret. Dass er sich auf Randsiedler der damaligen Gesellschaft einließ, ist breit belegt und wird von Jesu Gegnern als Vorwurf gegen ihn erhoben (Mt 11,19f). Offenbar sind die Gastmähler in den Häusern von "Zöllnern und Sündern" ein wesentliches Merkmal des Handelns Jesu. Aber Jesus lässt sich auch auf Kranke ein, auf Behinderte, auf Kinder (vgl. zu diesen Gruppen exemplarisch Mt 21,10-17) und auf Frauen, auch auf solche mit zweifelhaftem Ruf, Menschen also, die aus verschiedenen Gründen nach der herrschenden Meinung mit Mängeln behaftet waren.

Diese Zuwendung Jesu zu den Unmündigen und Geringen (vgl. Mt 11,25-30) ist aber nicht lediglich Zeichen eines wachen sozialen Bewusstseins, sondern hängt eng mit seiner Verkündigung zusammen. Die Begründung dafür, dass Jesus sich in das Haus des Zöllners Zachäus einlädt, zeigt dies deutlich (Lk 19,9): Auch er ist ein Sohn Abrahams, auch er gehört zu Israel, auch er gehört zu den Menschen, denen Gott sich zuwendet. Weil unter dem Aspekt der kommenden Gottesherrschaft menschliche Grenzen und Trennungen in Frage gestellt  werden, gewinnt diese Herrschaft eine Eigendynamik schon für das gegenwärtige Verhalten. 


Aufgaben:

1.  Schreibe zentrale Begriffe heraus, mit denen der Begriff Gottesherrschaft erklärt wird  und erläutere sie!
2.  Untersuche die angesprochenen Gleichnisse!  Was haben sie mit der Gottesherrschaft zu tun?


 
 
 
 
 

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